Schulstart in Berlin: Entlastung hier, mehr Aufgaben da

An Berlins Schulen fehlen wieder Lehrer*innen. Die Bildungssenatorin will den Beruf attraktiver machen, doch ihre Maßnahmen bringen neue Belastungen.

Katharina Günther-Wünsch (l, CDU), Bildungssenatorin, und Sandra Scheffel, Leiterin der Maria-Leo-Grundschule, unterhalten sich in der Maria-Leo-Grundschule

Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), links, mit einer Schulleiterin Foto: Jörg Carstensen / dpa

Eine Zahl mochte die Bildungssenatorin zum Start des neuen Schuljahres noch nicht nennen, aber es ist klar, dass wieder Leh­re­r*in­nen fehlen. Und es mangelt vermutlich auch noch mal mehr als im vergangenen Schuljahr. Damals blieben rund 1.000 Vollzeitstellen unbesetzt. Vor den Sommerferien hatte sich für dieses Jahr eine Lücke von rund 1.460 Vollzeitstellen abgezeichnet. Die Zahl der Schü­le­r*in­nen ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 6.500 gestiegen, mehr als 1.100 geflüchtete Kinder sind noch ohne Schulplatz.

Um den Leh­rer*­in­nen­man­gel zu beheben, gibt es für Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) „nicht die eine große Stellschraube“. Stattdessen kündigte sie an, „viele kleine Rädchen“ in Bewegung setzen zu wollen. Sie will den Beruf wieder attraktiver machen und dafür die Arbeitsbedingungen besser gestalten. So können Schulen etwa freie Stellen mit Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­te­r*in­nen oder Ab­sol­ven­t*in­nen elf anderer pädagogischer Berufe besetzen. Diese Mit­ar­bei­te­r*in­nen sollen mit ihrer Arbeit Leh­re­r*in­nen entlasten, so dass diese sich auf das Unterrichten konzentrieren können.

Das bedeutet aber gleichzeitig, dass das Kollegium gemeinsam entscheiden muss, ob die Aufgaben sinnvoller von einer Sozialarbeiterin oder einem Logopäden übernommen werden. Außerdem brauchen die Schulen dann jemanden, der*­die sich um Personalmanagement und Personalentwicklung kümmert.

Jemand muss es machen

An Grundschulen sollen Fach­be­reichs­lei­te­r*in­nen zukünftig den Gründen dafür nachgehen, warum den Schü­le­r*in­nen Grundkenntnisse in Deutsch und Mathe fehlen. Aber auch hier: Es muss jemand machen. Ergebnisse müssen wiederum besprochen, und Gegenmaßnahmen in die Unterrichtsstunden gebracht werden. Dazu braucht es Zeit für Austausch, Treffen, Sitzungen, Konferenzen. Qualität lässt sich eben nur mit Ruhe und Zeit entwickeln.

In Schulen herrscht aber meist: Druck. Und ob mehr Klassenarbeiten, die Günther-Wünsch nun vorschreibt, zur Entlastung beitragen? Auch diese wollen ja korrigiert werden – und, wenn es wirklich um Qualitätsentwicklung geht, sollten wieder Austausch darüber und Konsequenzen daraus folgen.

Wenn Günther-Wünsch nun also an den einen Stellen entlastet, zieht sie an anderen fester an. Schulen sollen nun mehr Personalmanagement und Qualitätsentwicklung leisten. Das heißt nicht, dass die Maßnahmen schlecht sind oder falsch. Doch ob nun große Stellschraube oder kleine Rädchen: Nichts läuft ohne Schmieröl. Im Bildungssystem könnte analog dazu mehr Geld durchaus dafür sorgen, dass überhaupt erst einmal wieder die Ruhe eintritt, in der mit grundlegenden Reparaturen begonnen werden und an großen Lösungen gebastelt werden kann.

Was das System derzeit am Laufen hält, ist das große Engagement der Lehrer*innen. Doch das bedeutet auch, dass es auf Verschleiß ausgelegt ist. Denn die Betroffenen knapsen sich die Zeit für Mehrarbeit woanders ab und sind zunehmend nicht bereit, die Belastungen hinzunehmen. Gut ausgestattete Schulen haben meist wenig Probleme, Mit­ar­bei­te­r*in­nen zu finden.

Denn auch das macht Arbeit an Schulen attraktiv: Wenn die Beteiligten dort ihre Aufgaben in der vorgegebenen Zeit bewältigen können, ihr Arbeitsumfeld gestalten und die Tätigkeiten sinnvoll aufteilen können. Wenn der Job also mehr ist als Verwaltung des Mangels.

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