Streit über EU-Naturschutzverordnung: Konservative Desinformation

Anders als die CDU behauptet, stärkt die geplante EU-Verordnung für mehr Naturschutz die Ernährungssicherheit – etwa durch mehr Bestäuberinsekten.

Flussluaf von oben

Schöner Flusslauf Foto: Pattyn/imago

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat vor Kurzem eine unverantwortliche Fehlentscheidung getroffen: Die Abgeordneten ließen den Entwurf der EU-Kommission für eine „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ durchfallen. Das hat vor allem die Europäische Volkspartei, zu der auch CDU und CSU gehören, mit falschen Behauptungen geschafft.

Nein – das Renaturierungsgesetz wird nicht zu einer Hungersnot führen. Es stimmt nicht, dass dem Verordnungsentwurf zufolge 10 Prozent der Landwirtschaftsflächen aus der Nahrungsmittelproduktion genommen werden sollen. Das Dokument setzt nur ziemlich unverbindlich das Ziel, ein Zehntel der gesamten EU-Agrar­flä­che „mit Landschaftselementen mit großer biologischer Vielfalt zu gestalten“. Das können laut EU-Kommission etwa auch Obstbäume sein.

Wahr ist, dass auf 7,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Torfmoorflächen bis 2030 eine Wiedervernässung stattfinden soll. Sie würde verhindern, dass diese Böden weiterhin so viel Treibhausgas ausstoßen. Auch dieses Land sollen die Bauern weiternutzen dürfen. Die Erträge könnten insgesamt leicht sinken. Aber langfristig würden sie sonst viel stärker schrumpfen, da Dürren wegen der Klimakrise zu- und Bestäuber durch das Artensterben abnehmen.

Die Naturschutzverordnung trägt dazu bei, diese Probleme zu lösen. Sie verlangt von den EU-Staaten zum Beispiel Schritte, um den Rückgang der Bestäuberpopulationen bis 2030 zu stoppen. So stärkt sie die Ernährungssicherheit. Peter Liese (CDU), umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, hat auch behauptet, die geplante Verordnung führe dazu, dass Querbauten aus „den Flüssen“ entfernt werden müssten. Das behindere den Ausbau der Wasserkraft.

Ein Blick in den Text zeigt, dass es nur um 25.000 Flusskilometer in der gesamten EU geht. Das ist nicht viel: Schon Deutschlands Bäche und Flüsse sind laut Bundesamt für Naturschutz insgesamt etwa 400.000 Kilometer lang. Die Mitgliedstaaten sollen auch in erster Linie nur „obsolete Hindernisse“ beseitigen, die nicht mehr der Energieerzeugung dienen.

Die Verordnung schadet also nicht, sondern sie würde im Gegenteil großen Nutzen bringen. Der Text verlangt beispielsweise, dass der Anteil von Grünflächen am urbanen Gebiet jedes EU-Staats bis 2040 um mindestens 3 Prozent wächst. In allen Städten sollen Baumkronen bis 2050 wenigstens 10 Prozent der Fläche beschirmen. Das ist angesichts steigender Temperaturen infolge der Klimakrise überfällig.

Deshalb sollte die Europäische Volkspartei ihre Desinformation beenden – und bei der Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments Mitte Juli der Vorlage zustimmen.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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