Transphobe und xenophobe Stand-up-Comedy: Gehässig und faul

Ricky Gervais und Dave Chappelle haben neue Shows veröffentlicht. Ihr Versuch, relevant zu bleiben? Witze über Minderheiten und Vergewaltigungen.

Ricky Gervais schreit auf einer Bühne

Ricky Gervais in seinem Netflix-Comedy-Special „Armageddon“ Foto: Matt Crockett/Netflix

Zum Ende seines neuen Comedy Specials „Armageddon“ sagt Ricky Gervais „Wenn ich tot bin, werdet ihr merken, dass das großartige Satire war.“ – Satirisch an der einstündigen Stand-up-Show ist allerdings nur er selbst, die Figur des alternden Mannes, für den die Gesellschaft irgendwann keinen Platz mehr haben wird.

Gervais’ Programm besteht nämlich zu einem Großteil aus transphoben, xenophoben und schlichtweg faul geschriebenen Witzen. Darüber, dass Gervais kontrovers ist, ist er sich bewusst. Und seine Zuschauer feiern ihn dafür: Seine Shows sind ausverkauft und auf Netflix gehört er zu einem der erfolgreichsten Comedians. Doch die Pointen seiner Witze, mit denen er immer versucht, das nächste Tabu zu finden und zu brechen, sind mittlerweile so antizipierbar, dass kaum mehr von einem Schockmoment die Rede sein kann.

Kontrovers an seinem Programm ist – abgesehen davon, wie oft es sich gegen marginalisierte Gruppen richtet – das schlechte Material.

Sicher kann ein Witz, von dem man weiß, dass er nicht ganz in Ordnung war, manchmal lustig sein. Bei ihm fühlt sich das vermeintlich Verbotene aber wie eine Obsession an. Jedes Lachen sei gut, sagt Gervais, egal wie gehässig der Witz sein mag. Menschen, die ihn kritisieren, stempelt er als Autoritäre, Idioten, Liberale ab oder Schwächlinge, die sich von Worten gekränkt fühlen. Trans Personen werden getötet, queere Kinder in der Schule gemobbt. Worte sind nicht nur Worte.

Auch Gervais’ US-amerikanischer Kollege Dave Chappelle macht gerne Witze über queere Menschen, auch dessen Special „The Dreamer“ erschien Ende Dezember auf Netflix. 2022 hatte ein Mann laut eigenen Angaben wegen solcher Witze versucht, ihn auf der Bühne mit einem Messer anzugreifen. Dass Witze weit über eine ideelle Wortwelt hinausgehen und echte Emotio­nen und Überzeugungen verursachen, sollte Chappelle also wissen. Das gilt nicht nur für die Gekränkten, sondern auch die Fans von Menschen wie ihm oder Gervais, die genüsslich und fast ausschließlich über Marginalisierte lachen.

Chappelle tritt gezielt nach unten

Der Name von Chappelles Special kommt übrigens daher, dass er sich selbst als „Dreamer“, also Träumer, bezeichnet. Und dass der heute 50-Jährige das erreicht hat, wovon er als Kind nur träumen konnte. Generell ist seine Show eher eine Reihe an Erzählungen, Anekdoten und Lebensweisheiten. Das evoziert noch mehr dieses Bild eines einst erfolgreichen Comedians. Die wenigen tatsächlichen Witze im Programm sind natürlich Tritte nach unten: wenn er nicht über trans Personen lacht, sind es Vergewaltigungen.

Wenn anti-„woke“ Themen mittlerweile die einzigen sind, die diese „kontroversen“ Komiker abzudecken wissen, inwiefern unterscheiden sie sich dann noch von reak­tio­nären, konservativen Personen, die nur noch an der Welt zu verlieren haben und wissen, dass die Zukunft nichts für sie zu bieten hat – außer vielleicht eine Stimme für Neurechte zu sein? Das Gefühl von Leichtigkeit, das Humor eigentlich verursachen sollte, fehlt. Vielmehr sieht man sich mit Ressentiment konfrontiert, das diesen Männern eindeutig ins Gesicht geschrieben steht.

Erinnert man sich an Gervais’ Serien „Extras“ oder „The Office“, die der Brite in seiner Hochphase schrieb, gibt es auch Momente, die vielleicht nicht ganz so gut gealtert sind. Die Zielscheiben des Spottes waren jedoch meistens hierarchisch oben angesiedelt: in „The Office“ der ekelhafte Chef, in „Extras“ die idiotischen Hollywood-Schauspieler_innen.

Auch bei den Golden Globes trat Gervais auf die Hollywood-Elite, wofür er viel Lob bekam. Das hatte etwas Rebellisches und genau das sucht man in „Armageddon“ oder Chappelles „The Dreamer“ vergebens.

In Deutschland echauffiert sich Barth übers Gendern

Der britische Comedian James Acaster kritisierte Ricky Gervais vor einigen Jahren bereits für sein damaliges Special „Humanity“. Auch darin hatte der 62-Jährige Witze auf Kosten von trans Personen gemacht, immer mit der Begründung: „Wenn Leute das nicht abkönnen, sollen sie nicht einschalten. Ich bin hier, um Leute herauszufordern.“ Acaster bemerkte richtig, dass es nicht unbedingt marginalisierte Gruppen wie trans Personen sind, die eine Herausforderung von „mutigen, kleinen cis-Jungs“ wie Ricky Gervais brauchen.

Auch Deutschland brachte einen dieser Männer hervor, der aus irgendeinem Grund immer noch mit Bluthochdruck über Bühnen rennt. Mario Barth hat zuletzt wegen seiner Meinung übers Gendern mediale Aufmerksamkeit bekommen. In der MDR-Talkshow Riverboat trug der 51-Jährige ein Shirt mit der Aufschrift „Ich gender nicht, ich habe einen Schulabschluss“ und regte sich darüber auf, dass man heutzutage nichts mehr sagen dürfe.

Barth, Chappelle, Gervais – drei Geschöpfe also, die einer Kategorie angehören: verbitterte Männer, denen nichts Besseres einfällt, als das ohnehin schon populistische Klima anzuheizen, weil das der einzige Weg zu sein scheint, nicht in der Irrelevanz zu versinken. Oft können sie in schelmischer Antizipation dessen, welcher unangemessene Witz folgt, die Pointe kaum rausbringen. „Der nächste ist so böse, den kann ich nicht erzählen.“ Vielleicht sollten sie dieses Wort einfach halten.

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