UN-Expertenbericht zu Milizen in Kongo: IS-Netzwerk für Afrikas Terror

Unterstützer von Somalia bis Südafrika haben Kongos Terrormiliz ADF erneut stark gemacht. Dies enthüllt ein neuer UN-Expertenbericht.

Mehrere Menschen sind auf einem Truck, eine Person wird noch hochgezogen

Särge mit mutmaßlich von der ADF getöteten Schulkindern in Uganda, 18. Juni Foto: Hajarah Nalwadda ap/dpa

KAMPALA taz | Ein afrikaweites Netzwerk unterstützt finanziell und logistisch die islamistische Rebellengruppe ADF (Allied Democratic Forces) aus Uganda, die sich im Osten der Demokratischen Republik Kongo verschanzt und für zahlreiche Massaker in Kongo und Uganda verantwortlich ist. Der neueste Bericht der UN-Expertengruppe, die die Einhaltung des Waffenembargos gegen Kongos bewaffnete Gruppen überwacht, liefert dafür detaillierte Beweise.

Die Ermittler im Auftrag des UN-Sicherheitsrates zeichnen nach, wie stark sich die einst rein lokal agierende ugandische Miliz internationalisiert hat. Nachgewiesene Kontakte und Finanzströme erstrecken sich von Somalia über Mosambik und Südafrika bis in Kongos Hauptstadt Kinshasa.

In den vergangenen zwei Jahren haben sich, so der UN-Bericht, Vertreter der islamistischen Rebellengruppe Ahl al-Sunna wal-Jama’a aus Mosambik, des „Islamischen Staats“ in Somalia, dem Teile der dortigen Shabaab-Rebellen angehören, sowie Kommandeure der ADF mehrfach persönlich im Kongo und in Mosambik getroffen, um ihre Organisationen enger unter dem Dach des „Islamischen Staates“ in Afrika zu vernetzen.

Dabei werden gewaltige Summen quer durch den Kontinent transferiert. Die UN-Ermittler recherchieren, wie zwischen 2019 und 2020 rund 400.000 Dollar vom IS in Somalia über Südafrika, Mosambik, Tansania, Kenia und Uganda zur ADF in Kongo gelangten. Involviert in diese Transaktionen sind Somalis, Ugander, Äthiopier und Kenianer. Sie nutzen das islamische Geldüberweisungssystem Hawala oder Transferanbieter wie Mama Money oder Selpal.

Erkenntnisse widersprechen dem offiziellen Narrativ

Einige Zahlungen im Umfang von 10.000 bis 30.000 Dollar gingen an ADF-Schläferzellen in Ugandas Hauptstadt Kampala. Dort ließen ADF-Selbstmordattentäter im November 2021 Bomben hochgehen. Ein direkter Zusammenhang sei nicht „endgültig“ nachzuweisen, so die UN-Ermittler, doch könne eine „direkte Verbindung“ zwischen ADF und dem IS Somalia bestätigt werden, „einschließlich Finanzströmen zur Unterstützung der ADF-Aktivitäten“.

Sprengkraft haben diese Erkenntnisse auch, weil sie dem offiziellen Narrativ widersprechen. Ugandas und Kongos Armeen bekämpfen seit den Bombenanschlägen in Kampala 2021 gemeinsam die ADF und behaupten, sie entscheidend geschwächt zu haben. Doch offenbar hat sie sich nun neu und internationaler aufgestellt.

Die ADF verübt in der Demokratischen Republik Kongo die meisten Massaker an der Zivilbevölkerung. Allein im April 2023 starben im Ostkongo und in ugandischen Dörfern entlang der Grenze fast 100 Menschen durch ADF-Anschläge, zunehmend durch Sprengsätze – eine Handschrift des IS.

Namensliste hat auch Sprengkraft

Weitere politische Sprengkraft in einer ganz anderen Richtung birgt eine Namensliste auf Seite 123 des Berichts: Generäle der Streitkräfte und des Militärgeheimdienstes von Ruanda, bis hin zu General James Kaberebe, Sicherheitsberater von Ruandas Präsident Paul Kagame.

Ruanda hat bislang immer abgestritten, die Tutsi-Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) im Osten der Demokratischen Republik Kongo direkt zu unterstützen – die UN-Ermittler konnten das nun widerlegen und die Kommandokette nachweisen, die Befehle für Operationen im Ostkongo gibt. Drohnenaufnahmen, Fotos von militärischem Gerät und Truppen sowie im Kongo gefundene Notizbücher von Soldaten der ruandischen Armee zeugen davon.

Brisant ist dies, weil im UN-Bericht auch mehr Beweise zum Massaker im Ort Kisheshe bekannt werden, wo M23 und Ruandas Armee demnach im November 2023 mutmaßlich über 100 Menschen in Massengräbern verscharrt haben. Die M23 hat dies bislang verneint. Der Internationale Strafgerichtshof will in diesem Fall ermitteln.

Zahlreiche Generäle auf der Liste versetzt

Ruandas Präsident Kagame hat vergangene Woche zahlreiche Generäle auf der Liste versetzen lassen. Beobachter spekulierten, dies sei kein Zufall gewesen. Ruandas Armeesprecher verneinte dies.

Aber auch auf kongolesischer Seite inkriminiert der UN-Bericht hohe Generäle, darunter General Franck Ntumba, Leiter des Militärbüros im Präsidialamt von Staatschef Felix Tshisekedi und zuständig für den Krieg im Ostkongo. Er soll Anweisung gegeben haben, sämtliche Bürgerwehren und Milizen Ostkongos zu einer Allianz gegen die M23 und Ruanda zusammenzuführen.

Zur Allianz gehört auch die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), in deren Führungsspitze sich Täter des Völkermords an Ruandas Tutsi 1994 tummeln. Dies hat Kongos Regierung bislang abgestritten. Jetzt liegen all diese Beweise dem UN-Sicherheitsrat vor.

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