Bewaffnete Konflikte in Afrika: Das Leiden der Kinder

In der Demokratischen Republik Kongo, aber auch in den Sahelstaaten sind immer mehr Kinder vom Krieg betroffen. Tausende Schulen müssen schließen.

Mehrere Kinder sitzen an einem Tisch

Kinder in einem Versorgungszentrum in Kinshasa, Hauptstadt der DR Kongo Foto: Justin Makangara/reuters

KAMPALA taz | In der Demokratischen Repu­blik Kongo sind zwei Kleinkinder, nicht einmal ein Jahr alt, mit einem Sprengstoffgürtel aufgefunden worden. Das berichtete Grant Leaity, der Unicef-Vertreter im Kongo, vergangene Woche auf einer Pressekonferenz im Unicef-Hauptquartier in Genf. Er schlägt Alarm: Die Gewalt im Kongo „hat ein beispielloses Ausmaß erreicht“, sagt er. „Es gibt, wenn überhaupt, kaum einen schlimmeren Ort, um ein Kind zu sein.“

Besonders schlimm sei die Lage für Kinder in den von Milizen kon­trollierten Gebieten im Osten des Landes. Vor allem die ugandischen islamistischen Rebellen der ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte), die in den vergangenen Jahren ins Netzwerk des „Islamischen Staates“ (IS) in Afrika eingebunden wurden, rekrutieren und entführen nun zunehmend Kinder, um sie für ihren Krieg zu missbrauchen, wie wohl auch im Fall der beiden Mädchen mit dem Sprengstoffgürtel. „Täglich werden Kinder vergewaltigt und getötet. Sie werden von bewaffneten Gruppen entführt, rekrutiert und ausgenutzt“, so Leaity.

Das Beispiel mit den Zwillingsmädchen ist besonders schockierend. Über den genauen Zeitpunkt, wann dies geschehen ist, machte er keine Angaben. Die beiden Mädchen wurden in einem Dorf im Umkreis der ostkongolesischen Handelsstadt Beni aufgefunden, so Unicef. Das unwegsame Gelände in den Bergen rundherum wird von den ADF-Rebellen kontrolliert, die jüngst durch Militäroperationen enorm unter Druck geraten sind.

Die Eltern der Kinder sowie der Rest der Familie seien zuvor massakriert worden, so Leaity. Man fand sie allein in einem Haus völlig unterernährt „und an einem Sprengstoffgürtel befestigt“, sagte er. Die Sprengstofffalle sei unter einer Decke und Kleidern versteckt gewesen und war vermutlich angebracht worden, um diejenigen zu töten, die den Kindern zu Hilfe kommen wollten. Glücklicherweise konnte ein UN-Antiminen-Team die Bombe entschärfen.

Unterernährung und Angriffe auf Schulen

Rund 2,8 Millionen Kinder seien im Kongo vor allem im Osten des Landes direkte Opfer der bewaffneten Konflikte, so Unicef. Der Ende Juni veröffentlichte UN-Jahresbericht über die Lage von Kindern in bewaffneten Konflikten meldete im Kongo 3.377 nachgewiesene schwere Verstöße gegen Kinder. Fast die Hälfte von ihnen wurden von Milizen rekrutiert, einige sind gerade einmal fünf Jahre alt, so der Bericht.

In den meisten von Rebellen besetzten Gebieten sind die Menschen auf der Flucht. Über 2.000 Schulen sind geschlossen, einige wurden von Milizen geplündert, in anderen hausen vertriebene Familien, die sonst keinen Unterschlupf finden. Sie sind auf Hilfsleistungen angewiesen, weil sie nicht ernten können.

Zusätzlich zu der verheerenden Gewalt sind laut Unicef rund 1,2 Millionen Kinder im Alter unter fünf Jahren im Osten von schwerer akuter Unterernährung bedroht. Das Land erlebt außerdem den schlimmsten Cholera-Ausbruch seit mehr als fünf Jahren, was auf die grauenvollen sanitären Bedingungen in den Vertriebenenlagern zurückzuführen ist.

Und auch Masern breiten sich wieder aus. Allein bis Ende August dieses Jahres wurden über 780.000 Fälle registriert. Jetzt hat auch noch die Regenzeit angefangen. In den selbst gemachten Zelten in den Lagern drohen nun die Kinder aufgrund von Nässe und Unterkühlung krank zu werden.

Mehr Grundschulen schließen wegen Angriffen

In anderen Kriegsgebieten Afrikas ist die Lage ähnlich schlimm. Die internationale Kinderhilfsorganisationen Save the Children schlägt Alarm, dass wegen der zunehmenden Gewalt in den Sahelstaaten Burkina Faso, Mali und Niger immer mehr Kinder nicht zur Schule gehen können. Die Zahl der aufgrund von Angriffen geschlossenen Grundschulen habe sich im Jahr 2022 um 20 Prozent auf insgesamt 7.800 erhöht, so die NGO. Bis Juni 2023 blieb dadurch rund 1,4 Millionen Kindern das Recht auf Bildung verwehrt.

In den von Milizen kontrollierten Gebieten in Burkina Faso, Mali und Niger hätten Kinder und Lehrer zunehmend Angst, sich in Schulgebäuden aufzuhalten. Der Grund: Schulen werden gezielt von bewaffneten Gruppen angegriffen. Hinzu kommt, dass viele Kinder vertrieben wurden und allein deshalb nicht zur Schule gehen können.

Am stärksten betroffen ist Burkina Faso mit 5.318 geschlossenen Schulen, gefolgt von Mali und Niger. „Die Gewalt in der Sahelzone beraubt die Kinder ihrer Bildung und ihrer Zukunft“, sagt Vishna Shah, Regionaldirektorin bei Save the Children in Westafrika. „Die Angriffe auf Schulen müssen umgehend aufhören“, fordert sie.

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