Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Laut Amt erwachsen

Ein junger Geflüchteter erzählt über seine Flucht von Afghanistan nach Deutschland. Seine Geschichte ist beispielhaft für das Schicksal vieler.

Der junge Geflüchtete Nagiballah Hashimi sitzt auf einer Bank und schaut ernst in die Kamera.

Nagiballah hofft darauf, seine Mutter und die Geschwister bald nach Deutschland holen zu können Foto: Clara Heuermann

Die taz trifft Nagiballah Hashimi (15) am Rande einer Demonstration für die Rechte unbegleiteter Geflüchteter. Er ist einverstanden, uns von seine Geschichte zu erzählen.

„Ich komme aus Ghazni, Afghanistan. Seit neun Monaten bin ich in Deutschland. Solange mein Vater noch gelebt hat, war ich glücklich in Afghanistan, aber die Taliban haben ihn getötet. Er hatte vor ihrer Machtergreifung mit der Regierung zusammengearbeitet. Weil auch wir in Angst waren, dass die Taliban uns etwas antun könnten, hat meine Mutter beschlossen, mich wegzuschicken.

Zuerst bin ich in den Iran gegangen und dort vier Monate lang geblieben. Danach ging es über die Grenze in die Türkei und mit dem Boot nach Italien. Die Schleuser, die mich über das Meer bringen sollten, verlangten aber mehr Geld, als wir vereinbart hatten, deshalb haben sie mich entführt. Tagelang konnte ich kein Sonnenlicht sehen. Meine Familie musste den Schleusern Geld schicken, bevor sie mich freigelassen haben.

Die Überfahrt nach Italien hat neun Tage gedauert, drei Tage davon ohne Essen und Trinken. Ich dachte, ich sterbe.

In Deutschland musste ich lange in einem Heim warten, bevor ich zum Amt gebracht wurde. Das sollte beurteilen, ob ich schon volljährig bin. Ich bin 15, habe aber keine Beweise für mein Alter, weil meine Geburtsurkunde in Afghanistan geblieben ist. Die Behörde kam zum Schluss, ich sei schon über 18.

Seit ich hier bin, bleibe ich die ganze Zeit zu Hause. Ich besuche keinen Deutschkurs, weil mir das nicht erlaubt wurde, ich gehe nicht zum Fußball, weil ich nicht darf. Freunde habe ich keine.

Wenn der deutsche Staat mich dabei unterstützt, will ich aber meine Familie herholen: Meine Mutter und meine Geschwister haben Afghanistan ebenfalls verlassen, sie leben jetzt in Pakistan. Aber auch dort sind sie nicht in Sicherheit. Geld haben sie keines; alles was sie hatten, haben sie verkauft, um mich hierher schicken zu können.“

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