Verbot prorussischer Partei in Moldau: Köpfe und Herzen gewinnen

Das Verbot der prorusssischen Sor-Partei wird wenig helfen, solange ihre Anhänger weiter willfährige Vollstrecker Moskaus sind.

Männer und eine Frau demonstrieren, einer hält seinen Daumen nach unten

Anhänge­r:in­nen der prorussischen Partei Șor demonstrieren vor dem Verfassungsgericht Foto: Dumitru Doru/epa

Das Verfassungsgericht der Republik Moldau hat die Reißleine gezogen und die prorussische Partei Șor verboten. Ein wichtiger Sieg für die moldauische Demokratie, wie Parlamentspräsident Igor Grosu frohlockt? Nun, diese Entscheidung ist wohl eher ein Befreiungsschlag vor dem Hintergrund berechtigter Ängste, das Land könnte nach der Ukraine zum nächsten militärischen Angriffsziel Moskaus werden.

Die Menschen im Sinne des Kremls ideologisch zu indoktrinieren und Moldau politisch zu destabilisieren – dazu leistet Ilan Șor, Namensgeber der verbannten Oppositionspartei, einen „wertvollen“ Beitrag. Der Geschäftsmann wurde im vergangenen April von einem Gericht wegen Beteiligung an einem Diebstahl von rund 1 Milliarde US-Dollar aus dem moldauischen Bankensystem in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Von Israel aus leitet er die Geschäfte und bringt seit Monaten Leute gegen Moldaus westlich orientierte Regierung in Massen auf die Straße. Für die Teilnahme bezahlt er – ein wesentlicher Anreiz in einem Land, wo viele an oder unter der Armutsgrenze herumkrebsen. Dass die wirtschaftliche Misere in erheblichem Maße der Tatsache geschuldet ist, dass der Kreml in bewährter Manier auch gegen Chișinău Gaslieferungen als Waffe einsetzt – wen interessiert das schon.

Selbst wenn die jüngste höchstrichterliche Entscheidung juristisch nicht zu beanstanden sein sollte, ist fraglich, ob sie den gewünschten Effekt entfaltet. Șors An­hän­ge­r*in­nen werden sich weiter als willfährige Voll­stre­cke­r*in­nen Moskaus und dessen Informationskrieges instrumentalisieren lassen. Dabei sind nicht nur die üblichen Verdächtigen, die wie in der abtrünnigen Region Transnistrien ihren Blick traditionell nach Russland richten, für eine derart billige Propaganda empfänglich. Nein, das gilt auch für einen Teil der rumänischsprachigen Bevölkerung.

Bei ihnen allen für einen europäischen Weg zu werben, ja ihre Köpfe und Herzen zu gewinnen – das muss das Ziel der Machthaber in Chișinău sein. Parteienverbote allein werden dafür nicht ausreichen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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