Verfassungsgericht urteilt zu BKA-Gesetz: Rumschnüffeln wird schwieriger

Das BVerfG macht dem BKA detaillierte Vorgaben zur Terrorabwehr. Komplett verzichten muss das Amt aber auf keine der Ermittlungsmethoden.

Eine Frau telefobniert an der Telefonzelle

Gespräche über Straftaten sind nie geschützt, so Karlsruhe, auch wenn sie mit der Ehegattin geführt werden Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Weite Teile des BKA-Gesetzes sind verfassungswidrig. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht auf Klage von Grünen- und FDP-Politikern entschieden. Der Bundestag muss an insgesamt elf Punkten nachbessern. Die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) zur Terrorverhütung bleiben aber im Wesentlichen unangetastet.

Die Novelle des BKA-Gesetzes hatte die damalige Große Koalition aus CDU/CSU und SPD 2008 beschlossen. Sie war das zentrale Projekt des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble (CDU) zur Inneren Sicherheit.

Bis 2008 war das BKA nur für die Strafverfolgung von Terroristen zuständig. Soweit gegen die RAF ermittelt wurde, diente das aber faktisch immer auch der Prävention gegen neue Anschläge. Mit Aufkommen des islamistischen Terrors sollte das BKA dann eigene Befugnisse zur Gefahrenabwehr bekommen, um auch gegen Einzeltäter oder lose Netzwerke, die Anschläge planen, vorgehen zu können. Da bis dahin die Gefahrenabwehr Ländersache war, musste erst das Grundgesetz geändert werden, dann wurden in das BKA-Gesetz spezielle Ermächtigungen zur Abwehr des „internationalen Terrorismus“ eingebaut.

Dabei erhielt das BKA alle Befugnisse, die es zumindest in einzelnen Ländern gab: Telefonüberwachung, Lausch- und Spähangriffe in der Wohnung, langfristige Observationen, Rasterfahndung. Die Grünen kritisierten damals, hier werde ein deutsches FBI, eine neue Geheimpolizei, geschaffen.

Die Trojaner-Spähsoftware

Der größte Aufreger war aber die Onlinedurchsuchung, das Ausspähen eines Computers mit Hilfe von Trojaner-Spähsoftware. Schäubles Plan führte zu massiven Protesten. Erst als das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus NRW die Onlinedurchsuchung grundsätzlich akzeptierte, wurde die BKA-Novelle Ende 2008 im Bundestag beschlossen.

Private Lebensgestaltung: Wenn bei der Überwachung große Datenmengen anfallen, die möglicherweise intime Details beinhalten, so müssen die Daten zunächst durch eine „unabhängige Stelle“ (zum Beispiel ein Gericht) gesichtet und gesäubert werden. Bisher waren dafür spezielle BKA-Beamte zuständig.

Verhütung von Straftaten: Das BKA darf laut Gesetz nicht nur zur Abwehr konkreter Gefahren, sondern für jede „Verhütung von Straftaten“ eingesetzt werden. Anlass muss ein „konkretisiertes und absehbares Geschehen“ oder das „individuelle Verhalten einer Person“ sein, etwa deren Rückkehr aus einem Terror-Ausbildungslager. Die Kläger wollten, dass das BKA erst überwachen kann, wenn eine konkrete Gefahr besteht.

Datentransfer ins Ausland: Erstmals beschäftigte sich das Gericht mit der Übermittlung von Polizeidaten ins Ausland. Die Richter halten dies für zulässig, weil das Grundgesetz internationale Zusammenarbeit begrüße. Im Ausland müsse aber ein „angemessenes“ Datenschutzniveau herrschen.

Transparenz: „Regelmäßig“ soll das BKA künftig mitteilen, wie oft es von seinen neuen präventiven Befugnissen Gebrauch macht. Die Berichte sollen dem Bundestag und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. (chr)

Gegen das Gesetz klagten zum einen neun Abgeordnete der Grünen um Christian Ströbele, zum anderen eine Gruppe um die Alt-Liberalen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch.

Die praktische Bedeutung des Gesetzes war aber weit geringer als befürchtet. Nur 15 Mal hatte das BKA seine neuen präventiven Befugnisse bis zur mündlichen Verhandlung im Jahr 2015 genutzt. Am bekanntesten waren die Ermittlungen gegen die islamistische „Düsseldorfer Zelle“, die Sprengstoffanschläge plante, aber noch vor der Ausführung festgenommen wurde. Dabei gab es die einzige Onlinedurchsuchung – die aber keine Erkenntnisse brachte.

In seinem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nun zwar elf Paragrafen des BKA-Gesetzes beanstandet, aber immer nur punktuell. Das BKA muss auf keine einzige Ermittlungsmethode verzichten. Gerügt wurde von den Richtern nur, dass die Paragrafen „zu unbestimmt“ waren oder mehr „flankierende rechtsstaatliche Absicherungen“ benötigen. Fast alle der gerügten Normen können (teils mit Einschränkungen) bis Mitte 2018 weiter angewandt werden. Nur zwei Normen wurde für „nichtig“ erklärt, darunter die Befugnis, den Wohnraum von Personen zu belauschen, die nur im Kontakt zu potenziellen Terroristen stehen.

Gefahrenabwehr wird systematisiert

Das Urteil hat dennoch große grundsätzliche Bedeutung, weil es die Rechtsprechung des Gerichts zur Gefahrenabwehr zusammenführt und systematisiert. Es wird wohl bald als Magna Charta des Polizeirechts gelten. Wahrscheinlich müssen nun alle Bundesländer ihre Polizeigesetze nachbessern. Vermutlich lassen sich die Erwägungen der Richter zu weiten Teilen auch auf den Verfassungsschutz übertragen.

Allerdings stimmten in wichtigen Teilen nur fünf der acht Richter für das Urteil. Der konservative Richter Wilhelm Schluckebier kritisierte, dass das Gericht „überzogene Anforderungen“ stelle und sich zu sehr als Ersatzgesetzgeber verstehe. Das Urteil werde nur zu einer weiteren „textlichen Aufblähung“ des Gesetzes führen, dem „kein nennenswertes Mehr an Schutznutzen“ für die Betroffenen gegenüberstehe.

Kläger Christian Ströbele sprach von einer „schweren Niederlage für die Große Koalition“. Burkhard Hirsch forderte den Bundestag auf, nicht nur die gerügten Punkte zu korrigieren, sondern die BKA-Novelle generell zu überdenken. Innen-Staatssekretär Hans-Georg Engelke verwies dagegen auf die jüngsten islamistischen Anschläge von Paris und Brüssel. „Sie haben uns gezeigt, wie ernst die Bedrohung ist.“

Es ist damit zu rechnen, dass Innenminister Thomas de Maizière (CDU) versucht, das Urteil noch vor der Bundestagswahl 2017 umzusetzen, weil die SPD in Fragen der inneren Sicherheit als pflegeleichter Partner gilt. In einer neuen Koalition mit den Grünen oder der FDP könnte es dagegen wieder zu Grundsatzdiskussionen kommen.

Az.: 1 BvR 966/09 und 1140/09

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