Von der Dalai Lama-Fanmeile in Berlin: Einer für alle

Der Dalai Lama ist ein Konsenskandidat. Die 25.000 Besucher der Tibet- Solidaritätskundgebung in Berlin sind bunt gemischt - und lächeln seelig.

Anzugträger mit Krawatte, dem Späthippietum zugewandte Damen im Ausgehdress, cool gegelte Medizinstudenten und Rentner: Alle lieben den Schmunzelheini. Bild: rtr

BERLIN taz Es ist dieses Lachen. Tief und freundlich wie Räuber Hotzenplotz brummt der Dalai Lama in sein Mikrofon, als er einem kleinem Jungen am Rand der Bühne ein Andenken schenkt. Die Lautsprecher senden es über den Platz vor dem Brandenburger Tor. Spätestens da hat jeder Besucher der Tibet-Solidaritätskundgebung in Berlin - 25.000 sind es laut Veranstalter -ein seeliges Lächeln auf den Lippen. "Wir halten uns spirituell für fortgeschritten, aber ob das stimmt, müssen sie selbst herausfinden", übersetzt der Dolmetscher gerade einen der letzten englischen Sätze des Oberhauptes der Tibeter. Aber die Masse muss das nicht mehr gesagt bekommen. Sie winkt. Weil der Dalai Lama winkt. Und lächelt. Weil er lächelt. "Dieser Schmunzelheini", sagt ein junger Mann im Publikum. Und schmunzelt.

Vergessen ist das kleinliche Gezeter darum, wer den Dalai Lama nun trifft oder nicht. Selbst auf der Kundgebungsbühne waren sich die Lokalfürsten des Abgeordnetenhauses noch öffentlich in die Haare geraten. Denn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte nur ein Grußwort geschickt, das der Schauspieler Ralf Bauer verlas: "Der Senat von Berlin und auch ich persönlich unterstützen das Bestreben des Dalai Lama nach größtmöglicher kultureller und religiöser Autonomie der Tibeter."

"Ein klares Zeichen wäre es gewesen, wenn Wowereit sein Grußwort persönlich vorgetragen hätte", nörgelte daraufhin der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedbert Pflüger kritisierte, dass Berlin im Gegensatz zu anderen deutschen Städten nicht die tibetische Flagge vor dem Rathaus gehisst habe. Worauf Christian Gaebler, der in letzter Minute entsandte Abgeordnete der SPD, meinte, ihm sei die Masse der Menschen bei der Kundgebung wichtiger als eine Fahne vor irgendeinen Rathaus. Dass auch die FDP ihren Fraktionschef zur Kundgebung geschickt hat, die Linkspartei hingegen durch Abwesenheit glänzte, spielte eine Stunde später keine Rolle mehr.

Denn der Dalia Lama ist ein Konsenkandidat. Er lockt nicht nur Tibeter mit ihren blau-rot-gelben Flaggen in den Berliner Tiergarten. Vom Anzugträger mit Krawatte bis zur dem Späthippietum zugewandten Dame im orangenen Ausgehdress, vom cool gegelten Medizinstudenten bis zum Rentner, der auf seinen vielen Weltreisen selbst in China war, ist alles vertreten. Auffällig ist: Die Anhänger des Dalai Lama sind bunt gemischt.

Nach den Politikern tritt ein tibetisches Gesangsduo auf. Es stimmt traditionelle Gesänge an. Im Publikum werden Räucherstäbchen angezündet, an den Merchandisingständen steigt der Absatz von Tashi, dem tibetischen Schneelöwenkuscheltier.

Am Rand der Kundgebung steht ein chinesischer Student und hält ein Schild hoch: "Dalai Lama ist not democracy in Tibet". Die Kommunistische Partei habe mehr für Tibet getan als der Dalai Lama, sagt er. Die Umstehenden ignorieren ihn. Darüber wollen sie nicht diskutieren, sie wollen ihrer Heiligkeit lauschen.

Der bittete die Massen um Mitgefühl mit den Erdbebenopfer in China. Er bittet, das Engagement für die Menschenrechte auf ganz China, Burma oder Dafur auszuweiten. Er fordert seine Zuhörer zum Gewaltverzicht im Alltag auf. Denn erst das ergebe zusammen mit dem Engagement für Tibet ein schönes Bild. "Thank you, thats all. Good night", ruft er dann noch. Und winkt. Und lächelt.

"Meine Nation ist die der Liebenden", hatte der Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel zu Beginn geschnultzt. "Halt dich an deiner Liebe fest", gab die Band Wir sind Helden zum Schluss zum Besten. Aber da waren die meisten der 25.000 schon wieder weg. Sie wollten den Dalai Lama hören. Sonst niemanden.

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