Waffenlieferant für Rechtsterroristen: NSU-Helfer muss nochmal in Haft

Der Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben muss für seine Resthaftstrafe von drei Jahren nochmal in Haft. Ein zweiter NSU-Helfer bleibt dagegen in Freiheit.

Der NSU-Helfer Ralf Wohlleben vor dem Oberlandesgericht München im NSU-Prozess.

Erst NPD-Mann, dann Terrorhelfer: Ralf Wohlleben 2018 im NSU-Prozess Foto: Koehler/Eibner-Pressefoto/imago

BERLIN taz | Er war einer der zentralen Unterstützer des NSU-Kerntrios – und bis zum Schluss reuelos. Nun muss Ralf Wohlleben für seine Terrorhilfe nochmal ins Gefängnis. Der Bundesgerichtshof wies seine Beschwerde ab, seine Reststrafe in Haft verbüßen zu müssen. Ein zweiter NSU-Helfer, André Eminger, kann dafür in Freiheit bleiben.

Wohlleben hatte dem NSU-Trio die Ceska-Pistole organisiert, mit der dieses von 2002 bis 2006 neun seiner zehn Morde verübte. Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München bestritt der frühere NPD-Funktionär über seine Anwälte die Tat, ließ aber zugleich erklären, dass er seinen „politischen Überzeugungen treu geblieben“ sei. Wohlleben war im Juli 2018 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, wegen Beihilfe zu neunfachem Mord – zusammen mit Beate Zschäpe und drei Mitangeklagten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Wohllebens Revision gegen das Urteil im August 2021 verworfen.

Der heute 47-Jährige war bereits kurz nach dem NSU-Auffliegen im November 2011 festgenommen worden und saß knapp sieben Jahre in Untersuchungshaft. Kurz nach seiner Verurteilung kam er vorerst wieder auf freien Fuß, weil er bereits fast zwei Drittel seiner Strafe durch die U-Haft abgesessen hatte. Nur elf Tage fehlten ihm bis zu dieser Grenze, an der eine Resthaftstrafe auf Bewährung ausgesetzt werden kann.

Wohllebens Anwälte beantragten dann zuletzt, dass ihr Mandant auch seine Reststrafe auf Bewährung verbüßen darf. Das Oberlandesgericht München lehnte das Anfang September aber ab. Die Begründung: Von Wohlleben gehe weiterhin eine Gefahr aus. Das Gericht hatte dafür eigens ein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt. Wohlleben legte dagegen Beschwerde ein – die der Bundesgerichtshof nun abwies.

Für den BGH geht von Wohlleben weiter Gefahr aus

Auch der dortige Strafsenat befand, dass Wohlleben „derzeit keine günstige Prognose für die Legalbewährung in Freiheit gestellt“ werden kann, teilte der BGH am Dienstag mit. Eine vorzeitige Haftverschonung könne man daher „nicht verantworten“. Dabei sei das Risiko weniger, dass Wohlleben eigene Gewalttaten begehe, als dass er künftig fremde Gewalttaten „möglichst unauffällig“ unterstützen könnte, sollten solche Pläne aus der rechtsextremen Szene an ihn herangetragen werden.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist damit rechtskräftig. Wohlleben stehen nun noch gut drei Jahre Haft bevor. Die Bundesanwaltschaft wird Wohlleben dafür demnächst zu einem erneuten Haftantritt vorladen. Wann und wo genau, dazu wollte sich die Behörde nicht äußern. Haftantritte kommuniziere man grundsätzlich nicht, sagte eine Sprecherin der taz.

Wohlleben lebte zuletzt in Sachsen-Anhalt und soll von der Polizei als rechtsextremer Gefährder eingestuft sein. In der rechtsextremen Szene ist er weiterhin vernetzt und genießt dort Märtyrerstatus. Das ließ das Oberlandesgericht in seine Entscheidung miteinfließen.

NSU-Helfer Eminger bleibt in Freiheit

Der 2018 ebenfalls verurteilte NSU-Helfer André Eminger kann dagegen in Freiheit bleiben. Er hatte den Rechtsterroristen eine Wohnung vermittelt, ihnen Bahncards überlassen oder für sie Wohnmobile angemietet, mit denen diese zu einem Anschlag in Köln und zu Banküberfällen fuhren. Noch am Tag des NSU-Auffliegens halft Eminger Zschäpe bei der Flucht.

Das Oberlandesgericht ging aber davon aus, dass Eminger lange nicht in die Terrorpläne eingeweiht war, und verurteilte ihn nur für die Bahncards zu zweieinhalb Jahren Haft. Eminger selbst, der ebenso ein strammer Rechtsextremist ist, hatte vor Gericht geschwiegen.

Auch der 43-Jährige war nach dem NSU-Auffliegen 2011 verhaftet worden – kam im Juni 2012 aber wieder auf freien Fuß. Wegen einer zwischenzeitlich erwarteteten hohen Haftstrafe wurde er im September 2017 wieder festgenommen – bis er am Urteilstag wieder entlassen wurde, unter dem Jubel angereister Neonazis. Die Bundesanwaltschaft hatte Eminger dagegen als zentralen Helfer gesehen und 12 Jahre Haft gefordert. Ihre Revision wies der Bundesgerichtshof ab.

Auch Eminger hatte noch mehrere Monate Haftstrafe offen. Nach taz-Informationen setzte das Oberlandesgericht München seine Reststrafe jedoch bereits im Sommer zur Bewährung aus, da der Sachse mit seiner U-Haft bereits zwei Drittel der zweieinhalbjährigen Haftstrafe verbüßt hatte und die Resthaft überschaubar war.

Eminger, der heute in der Nähe von Zwickau wohnt, war zuletzt noch offen in der rechtsextremen Szene aktiv: Er besuchte Rechtsrockkonzerte oder einen Vortrag mit einem „Zeitzeugen“ und hielt Kontakt zu einer rechtsextremen Bombenbauerin des „III. Wegs“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.