Waffenlieferungen an die Ukraine: Neue Diskussion um Taurus-Lieferung

Soll Deutschland der Ukraine Taurus-Raketen im Ringtausch oder doch selbst liefern? Auch nach dem Kanzler-Machtwort geht die Debatte weiter.

Raketen an einem Kampfjet.

Von der Ukraine gewünscht: Taurus-Marschflugkörper an einem Kampfjet Foto: Handout via imago

BERLIN dpa | SPD-Chef Lars Klingbeil hat das Nein von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine verteidigt und auch die Option eines Ringtausches verworfen. Die europäischen Partner sollten sich darauf konzentrieren, endlich mehr Munition zu produzieren und an die Ukraine zu liefern, sagte Klingbeil am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. „Das ist das, worauf sich alle konzentrieren sollten, und keine anderen Debatten“, sagte Klingbeil auf die Frage nach einem Ringtausch.

Der britische Außenminister David Cameron hatte in einem Interview der Süddeutschen Zeitung einen Ringtausch angeregt, der die Bedenken von Scholz (SPD) zerstreuen könnte. „Das wäre eine Option“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren Miosga“.

Bei einem solchen Ringtausch könnte Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben – und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern. Scholz lehnt die Lieferung der Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland durch deren Einsatz letztlich in den Krieg hineingezogen werden könnte. Klingbeil betonte, der Kanzler habe bei dieser Haltung seine volle Unterstützung.

Die Unionsfraktion im Bundestag sieht die Ringtausch-Idee skeptisch. Am besten wäre es, Großbritannien würde sein System an die Ukraine liefern und Deutschland Taurus, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn, im ARD-„Morgenmagazin“. Das wäre echte Unterstützung für die Ukraine und nicht ein völlig verkrampfter, zögerlicher Ringtausch, der dazu führt, dass die Ukraine nur die Hälfte bekommt, was möglich wäre“, sagte der CSU-Politiker.

Ampel-Politiker:innen über Taurus weiter uneinig

Wenn andere behaupteten, Deutschland sei spitze bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine, dann stimme das nur quantitativ, aber nicht relativ bezogen auf die Größe Deutschlands. „Wir können hier mehr tun“, betonte Hahn.

Die Reihen der Ampelkoalition sind in der Taurus-Debatte nicht geschlossen. Das dürfte sich auch am Donnerstag zeigen, wenn die Union im Bundestag erneut einen Antrag stellen will, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das weitreichende Waffensystem „unverzüglich“ an die Ukraine abzugeben. Es gibt Anzeichen, dass dieser Antrag auch aus den Reihen von FDP und Grünen unterstützt werden könnte.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter schloss am Sonntag nicht aus, dass auch er diesmal für den Antrag stimmen werde. „Ich bin noch nicht entschieden“, sagte er dem Nachrichtenportal The Pioneer. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Agnes Strack-Zimmermann kündigte bereits ihre Zustimmung an – ähnlich wie bei einem ähnlichen Unionsantrag vor zwei Wochen. FDP-Vize Wolfgang Kubicki will sein Votum laut Rheinischer Post von der Formulierung des Antrags abhängig machen.

In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Montag) übte Hofreiter zusammen mit dem CDU-Außenexperten Norbert Röttgen scharfe Kritik an Scholz. Beide warfen dem Kanzler „katastrophalen Defätismus“ sowie „dramatisch schlechte Kommunikation“ vor. Mit Blick auf Scholz' Argumente gegen eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine kritisierten sie, der Kanzler verbreite in der Bevölkerung Angst und Schrecken. Wenn Scholz behaupte, Taurus-Lieferungen machten Deutschland zur Kriegspartei, sei dies „faktisch und rechtlich falsch“.

Bundestag will Auskunft über Abhör-Affäre

Der Verteidigungsausschuss des Bundestages wollte sich am Montagabend zu einer Sondersitzung treffen, bei dem es vor allem um eine von Russland mitgeschnittene Schaltkonferenz von vier hohen Bundeswehr-Offizieren gehen sollte. Darin erörterten diese Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. Die Union will mit der Regierungsseite aber auch über die Argumente reden, die einer Taurus-Lieferung entgegenstehen.

Vor der Sondersitzung des Bundestagsverteidigungsausschusses über die Taurus-Abhöraktion hat die Union umfassende Aufklärung gefordert. Die Bundesregierung müsse klarmachen, warum Kanzler Scholz SPD wochenlang vor einer Kriegsbeteiligung bei einer Taurus-Lieferung gewarnt habe, während Luftwaffenoffiziere diese Gefahr nicht sähen, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion Hahn. Hier seien eine „ganze Menge Fragen offen“.

Es müsse geklärt werden, warum Einschätzungen von Experten der Luftwaffe den Kanzler nicht erreicht hätten oder Scholz sie „in den Wind geschlagen“ und „sich aus anderen Gründen gegen Taurus entschieden“ habe, forderte Hahn. Aus den in Russland veröffentlichten Abhörprotokollen der Luftwaffenoffiziere gehe klar hervor, dass es keine deutschen Soldaten in der Ukraine brauche, um Taurus dort einzusetzen. Damit gebe es auch keine Kriegsbeteiligung Deutschlands.

Klingbeil, der stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss ist, sprach mit Blick auf die Abhöraktion von einem Informationskrieg Russlands. Es habe sich scheinbar um ein individuelles Fehlverhalten eines Soldaten gehandelt. Wenn der Verteidigungsminister am Ende aber sage, es seien mehr Investitionen in Cybersicherheit nötig, „dann muss das auch ermöglicht werden“, betonte der SPD-Chef.

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