Weibliche Selbstbestimmung: „Schön, dass ich keine Kinder habe“

Frauen, die keine Mutter sein wollen, wird suggeriert, dass es ihnen an etwas mangle. Denn gute kinderlose Vorbilder gibt es immer noch zu wenig.

Eine Frau trägt eine Sonnennbrille und lächelt

Laut zu sagen, froh zu sein,keine Kinder zu haben, bleibt eine Provokation Foto: Peathegee/picture alliance

Vor Kurzem ist mir aufgefallen, dass ich keine Kinder habe. Das war früher anders: Da war „Nein, ich habe keine Kinder“ nie die volle Antwort auf diese Frage. Ich sagte „noch nicht“ oder „vielleicht irgendwann mal“ oder „Ich weiß gar nicht, ob ich welche möchte“. „Nein“ ist neu.

Ich hatte nie eine Zukunftsvorstellung von mir als Mutter, und trotzdem habe ich mit Ende Dreißig viel darüber nachgedacht, ob ich mich jetzt doch noch für Kinder entscheiden sollte. Immerhin könnte ich etwas verpassen. Ich war selbst überrascht davon, dass der Gedanke aufkam, dass ein Leben „ohne Kinder“ bedeuten könnte, es würde etwas fehlen.

Für hetero cis Frauen wie mich mangelt es an Vorbildern für ein kinderfreies Leben: Meine Eltern waren Eltern, ihre Eltern waren Eltern und auch deren Eltern. Ich stamme aus einer langen Linie von Müttern und Vätern. In Film und Fernsehen gibt es wenige Beispiele für erfüllte, kinderfreie Lebenswege ohne Nestbau, Babys, Enkelkinder.

Mangel an Vorbildern

Auf Social Media sind auch jenseits von Mami-Blogs Meilensteine der Elternschaft sehr präsent. Und selbst in feministischen Diskursen um Sorgearbeit wird mehr über Elternschaft gesprochen als über anderen Formen von Care. Unter #childfree erzählen (nicht nur) Frauen vom kinderfreien Leben, teilen Alltag und besondere Momente ihrer Unabhängigkeit. Dafür ernten sie – wie für eigentlich alles, was Frauen im Internet so machen – eine große Menge Hate.

Wenn diese Frauen sich gegen Mutterschaft entscheiden, dann sollen sie zumindest ein bisschen traurig sein. Es muss das Bild aufrecht erhalten werden, Frauen würden etwas aufgeben, um sich ihrem Beruf widmen zu können. Oder sie würden nur all diese Reisen unternehmen und auf Partys gehen, um die Lücke der Kinderlosigkeit zu füllen.

Doch warum auch immer Frauen die Entscheidung treffen, keine Kinder zu bekommen und womit auch immer sie dann ihr Leben füllen: Wer sich gegen zusätzliche Sorgearbeit entscheidet und stattdessen beispielsweise Freund*innen, Freizeit, Karriere, Faulheit, Genuss oder schlicht die eigene psychische Gesundheit in den Vordergrund stellt, soll gefälligst an anderer Stelle einen Mangel spüren. Wie bitte? Selbstbestimmte und gut gelaunte Frauen, die Chefinnen ihrer eigenen Zeit sind? Das ist immer noch irgendwie frech.

Selbstbestimmte Frauen? Frech!

Laut zu rufen: „Yay! Wie schön, dass ich keine Kinder habe!“, bleibt eine Provokation. Besonders während der Weihnachtszeit. Ich habe zwar keine Verbindung zu diesen christlichen Feiertagen, aber trotzdem liebe ich Weihnachten als Genre in der Popkultur: jeden Tag einen Weihnachtsfilm. Das ist mein Dezember.

Ich sehe also gerade sehr viele Geschichten über Frauen, die ein Leben mit coolem Beruf oder vielen Partys in der Großstadt führen und dann vom Schicksal aufs Land getrieben werden. Dort treffen sie einen alleinerziehenden Schafhirten und lernen, dass eine Familie zu haben, der Sinn des Lebens ist, um pünktlich zu Heiligabend mit ihm, den Kindern und den Schafen im Schnee zu tollen.

Damit mir selbst so etwas Schreckliches nicht passiert, verlasse ich im Dezember unter keinen Umständen die Stadt.

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Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.

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