Investor steigt bei Thyssenkrupp ein: Stahlkocher fordern Jobgarantie​

Tausende demonstrieren gegen Arbeitsplatzvernichtung bei Deutschlands größtem Stahlproduzenten Thyssenkrupp – und für ihre Mitbestimmungsrechte.

Erhobene Fäuste in einer Menge

Stahlarbeiter beim Protest in Duisburg Foto: Jana Rodenbusch/reuters

BOCHUM taz | Tausende Beschäftigte des größten deutschen Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel (TKS) und seiner Tochterfirmen haben am Dienstag in Duisburg für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert.

Mit Unterstützung dutzender sozialdemokratischer Po­li­ti­ke­r:in­nen wie SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, aber auch mit Nordrhein-Westfalens CDU-Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann forderten sie Jobgarantien und den Verzicht auf Standortschließungen. „Zukunft statt Kündigung“ und „Kein weiterer Stellenabbau“ stand auf ihren Transparenten. „Wer mit der Brechstange droht, wird den Stahlhammer spüren“, erklärte TKS-Betriebsratschef Tekin Nasikkol.

TKS hatte Mitte April verkündet, seine Produktionskapazitäten um mehr als 20 Prozent von 11,5 auf 9 bis 9,5 Millionen Tonnen reduzieren zu wollen. Besonders am Standort Duisburg, wo etwa 13.000 der insgesamt 27.000 TKS-Beschäftigten arbeiten, droht damit die Vernichtung tausender Arbeitsplätze.

Außerdem werfen Gewerkschaft und Betriebsrat dem erst seit Juni 2023 amtierenden Thyssenkrupp-Gesamtkonzernchef Miguel Lopez vor, ihre Mitbestimmungsrechte beim Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky so stark wie möglich auszuhebeln. „Wir werden von diesen Herren kein Stück weit mehr informiert, als das Gesetz es vorsieht“, kritisiert nicht nur Betriebsratschef Nasikkol.

„Überraschend“ kam der definitive Einstieg Kretinskys offenbar selbst für Thyssenkrupps stellvertretenden Aufsichtsratschef Jürgen Kerner, der auch Bundesvize der IG Metall ist: „Die Mitbestimmung hat nur wenige Stunden vor der Öffentlichkeit von der Entscheidung erfahren“, so der Gewerkschaftsboss.

Ziel ist 50/50

Gesamtkonzernchef Lopez hatte den Deal mit Kretinsky am Freitag bekanntgeben lassen. In einer Adhoc-Börsenpflichtmitteilung war von einer „strategischen Partnerschaft“ mit dessen EP Corporate Group (EPCG) die Rede. Vorbehaltlich der Zustimmung von Kartellbehörden und Thyssenkrupp-Aufsichtsrat soll EPCG danach noch im laufenden Geschäftsjahr – also bis Ende September – zunächst 20 Prozent der Stahltochter TKS erwerben. Ziel sei aber „die Bildung eines gleichberechtigten 50/50-JointVentures“.

Kretinsky selbst betonte, seine EPCG könne dieses Joint Venture zuverlässig mit Energie und dem für eine klimaneutrale Stahlproduktion unverzichtbaren Wasserstoff versorgen. Das Firmenimperium des Milliardärs kontrollierte 2023 nach eigenen Angaben Kraftwerke mit einer Kapazität von etwa 14 Gigawatt, macht Geschäfte mit Erneuerbaren Energieträgern ebenso wie mit klimaschädlicher Braunkohle, Gas und Atomkraft.

Aktiv ist der Milliardär aber auch in den Bereichen Lebensmittel und Logistik: Kretinsky besitzt fast 50 Prozent der Metro-Kette ebenso wie ein Drittel der niederländischen Post. Erst Mitte April hat er versucht, die britische Royal Mail zu übernehmen – zunächst erfolglos. Im Fußball kontrolliert der Oligarch mehr als ein Viertel der Anteile am englischen Premier-League-Club West Ham United. Der tschechische Spitzenverein Sparta Prag gehört ihm komplett.

Nicht nur Ge­werk­schaf­te­r:in­nen und Be­triebs­rä­t:in­nen scheint damit klar, dass der äußerst erfolgreiche Geschäftsmann jetzt auch TKS um jeden Preis auf Gewinnmaximierung trimmen will. Dass Kretinsky beim anstehenden Konzernumbau entscheidend mitreden will, hat er bereits klargemacht: Der Einstieg seiner EPCG diene dazu, um „an der Gestaltung und Neuausrichtung von Thyssenkrupp Steel aktiv mitzuwirken“, ließ er sich von der auf Wirtschaftsthemen spezialisierten Nachrichtenagentur Reuters zitieren. Ein konkreter Plan, wie die Zukunft des Stahlgiganten aussehen soll, wurde bisher aber nicht vorgestellt.

Heil: „Wir schauen nicht tatenlos zu“

Entsprechend deutlich waren bei der Duisburger Demonstration deshalb auch Warnungen der Politik in Richtung von Kretinsky – und an Thyssenkrupps Gesamtkonzernchef Lopez. „Ihr seid nicht allein“, versprach nicht nur SPD-Bundesarbeitsminister Heil den Beschäftigten: „Wir schauen nicht tatenlos zu, was hier abgeht.“ Die Stahlproduktion sei eine Schlüsselindustrie, von der die gesamte deutsche Volkswirtschaft abhänge, so Heil.

Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und sein Arbeitsminister Laumann hatten schon vor der Demonstration einen „Zukunftsplan“ für den Stahlgiganten gefordert – und die Achtung von Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft.

Den Sozialdemokraten im Landtag, die ihre Fraktionssitzung auf die Demo nach Duisburg verlegt hatten, geht das nicht weit genug. Regierungschef Wüst und seine grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur müssten milliardenschwere Subventionen an „Standort- und Beschäftigungsgarantien“ knüpfen, forderte SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott – schließlich unterstützen Bund und Land die Umstellung eines einzigen Hochofens aktuell mit rund zwei Milliarden Euro. Allerdings: Im TKS-Stammwerk im Duisburger Norden stehen davon allein vier. Dazu kommen zwei weitere im Duisburger Süden bei der Konzernbeteiligung Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM).

Insgesamt dürfte die Umstellung den Stahlkonzern also rund 18 Milliarden Euro kosten – Geld, dass auch Kretinsky nicht mitbringen dürfte. Als sicher gilt daher, dass TKS Bund und Land um weitere Milliarden angehen dürfte. Gewerkschaften und Betriebsrat wollen dabei Druck machen: Am 23. Mai werde es eine weitere Demonstration geben, kündigte Betriebsratschef Nasikkol an – dann vor der Zentrale des Gesamtkonzerns in Essen. Thyssenkrupp-Gesamtkonzernchef López werde dann gezeigt, „wo der Stahlhammer hängt“.

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