Wassermangel im Dürresommer: Nur Rationierung ist gerecht

Angeblich leben wir in einer Marktwirtschaft. Doch wenn wichtige Güter knapp werden, hilft die nicht weiter. Dann muss rationiert werden.

lick auf den ausgetrockneten Lottbeker Teich in der Gemeinde Ammersbek im Kreis Stormarn

Schleswig-Holstein, Ammersbek: ausgetrockneter Lottbeker Teich in der Gemeinde Ammersbek im Kreis Stormarn Foto: Georg Wendt/dpa

Wer bekommt wie viel Wasser? Und wofür? Wie lange darf man noch den Rasen sprengen oder Pools füllen? Solche Fragen werden auch in Deutschland relevanter. In den vergangenen Wochen hat es kaum geregnet, ein Ende der Dürre ist nicht abzusehen. Vor allem im Osten Deutschlands sind die Dürrekarten tiefrot eingefärbt.

Es steht ein Wort im Raum, das eigentlich nur aus Kriegszeiten bekannt ist, wenn alles knapp wird: Rationierung. Ganz selbstverständlich arbeitet die Berliner Umweltsenatorin schon an einem Notfallplan, und auch die BürgerInnen staunen nicht, dass Wasser demnächst staatlich zugeteilt werden könnte.

Diese allgemeine Erwartung an den Staat, dass er die Regie übernehmen soll, ist jedoch längst nicht so naheliegend, wie die meisten BürgerInnen offenbar intuitiv annehmen. Denn angeblich leben wir in einer „Marktwirtschaft“. Zumindest FDP und Union sind davon fest überzeugt. In einer „Marktwirtschaft“ würde jedoch der Preis regeln­, wer wie viel Wasser bekommt. Marktwirtschaft wäre: Wenn Wasser knapp ist, wird es eben teuer. Der Effekt wäre, dass die Reichen weiter ihre Pools füllen und Golfplätze bewässern lassen, weil sie sich die erhöhten Wasserpreise mühelos leisten können. Dafür würde es dann in den armen Quartieren nicht mehr für eine Wassertoilette reichen.

Doch offenbar sind die Deutschen keine Marktwirtschaftler, wenn wichtige Güter wie Wasser knapp werden. Dann soll nicht mehr der Preis regieren – sondern die Gerechtigkeit. Jede soll mehr oder minder das Gleiche bekommen. Wenn die Reichen dann auf Pools und Golf verzichten müssen, haben sie eben Pech gehabt.

Das hat einen sehr rationalen Kern: Deutschland ist eine Demokratie, geht also davon aus, dass alle Menschen gleich sind und daher jeder eine Stimme hat. Dieser fundamentale Gleichheitsgedanke wird auch ökonomisch zentral, wenn es darum geht, wichtige Güter zu verteilen, sobald sie knapp werden.

Nun ist Wasser ein Extrembeispiel, weil Menschen nicht lange überleben können, wenn sie nicht regelmäßig trinken. Da liegt es nahe, auf Rationierung zu setzen, damit alle versorgt sind. Spannend wird es bei Gütern, die nicht unentbehrlich sind. Werden auch sie irgendwann rationiert? Da ist zum Beispiel das Fliegen, ein Lieblingshobby der Deutschen. Schon jetzt ist klar, dass es der Luftfahrt in den nächsten Jahrzehnten nicht gelingen wird, klimaneutral zu werden. Klimaneutralität ist nur möglich, wenn man aufs Fliegen verzichtet. Software-Milliardär Bill Gates weiß auch schon, wie er dieses Problem gern lösen würde: Kerosin muss eben sehr teuer werden. Dann könnte er weiterhin mit seinen Privatjets fliegen, während der große Rest finanziell überfordert wäre und am Boden bleiben muss.

Es kann sein, dass sich diese unsoziale Lösung durchsetzt. Schließlich ist die Welt schon jetzt extrem ungerecht. Aber es ist keineswegs sicher. Die Aktionen der „Letzten Generation“ waren sehr unpopulär, solange normale Straßen blockiert wurden. Aber festgeklebte Privatjets erfreuen große Teile des Publikums. Es ist also durchaus denkbar, dass irgendwann auch Flüge rationiert werden – und zwar für alle gleich.

Das Wort „Rationierung“ klingt extrem unattraktiv, weil es staatlichen Dirigismus bedeutet. Doch in einer Welt der Knappheit verliert es seinen Schrecken, weil nur die Rationierung dafür sorgen kann, dass alle zu ihrem Recht kommen. Die Zuteilung von Wasser dürfte daher nur der Anfang sein.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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