Streit um EU-Asylgesetz: Die Grünen im Zwiespalt

Der Grünen-Bundesvorstand hat die Richtlinie für die gemeinsame Asyl-Politik aktualisiert. Aber: In der Partei stößt auch der neue Antrag auf Kritik.

Portrait von Omid Nouripour

Hat den EU-Deal unterstützt: der Bundesparteivorsitzende der Grünen Omid Nouripour Foto: Emil Janssen/imago

BERLIN taz | Am Wochenende steht der Länderrat der Grünen an – und der Zoff um Asylpoltik wird weiter gehen. So viel ist sicher. Denn am Montagabend hat der Bundesvorstand der Partei zwar einen aktualisierten Leitantrag veröffentlicht, aber auch der steht nun in der Kritik.

„Die Formulierungen lassen zu viel offen. Wir brauchen eine klare Haltung zum Asylbeschluss der EU-Innenminister und gegen die Inhaftierung von Menschen an den Außengrenzen“, sagt der grüne EU-Parlamentarier Rasmus Andresen. Im Leitantrag steht zum Beispiel, die Grünen stünden für eine individuelle und inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl in der EU. „Das passt aber mit der Unterstützung des Deals der Innenminister nicht zusammen“, sagt Andresen.

Der neue Antrag wird wohl am kommenden Samstag beim Länderrat für Diskussionen sorgen. Hier treffen sich unter anderem die Mitglieder des Bundesvorstands und Delegierte der Landesverbände, Bundestagsfraktion, Landtagsfraktionen und des Europaparlaments sowie von den Bundesarbeitsgemeinschaften. Bei dem Treffen am Samstag beschließen die Delegierten die grundlegenden Richtlinien der Grünen-Politik. Diese Richtlinien halten sie in Form eines Leitantrags fest.

Vorstand scheint unentschlossen

Seitdem der EU-Innenrat vergangene Woche Donnerstag eine Reform des europäischen Asylsystems (GEAS) beschlossen hat, brodelt es bei den Grünen. Bei vielen herrscht Unverständnis darüber, warum Deutschland zugestimmt hat.

Bisher drückt der Leitantrag vor allem Unentschlossenheit aus. „Wir zollen unseren jeweiligen Meinungen großen Respekt“, heißt es darin etwa. Eigentlich sollte Bundesvorsitzende Ricarda Lang ihn schon Montagmittag vorstellen. Dass die Zeit bis 14 Uhr dem Vorstand offenbar nicht reichte, ist ein Hinweis darauf, wie schwierig es ist, einen Antrag zu formulieren, der alle Positionen innerhalb der Partei unter einen Hut bringt.

Die Unzufriedenheit des Vorstandes mit dem Beschluss wird zwar anhand von Sätzen wie diesem deutlich: „Die erzielte Einigung kann zentrale Anforderungen nicht erfüllen, die wir an eine Asylpolitik der Humanität und Ordnung stellen.“ Konsequenzen, wie etwa die eigene Zustimmung zurückzuziehen, werden daraus im Antrag aber nicht gezogen. Stattdessen wird vage dafür plädiert, sich im EU-Gesetzesverfahren für Verbesserungen einsetzen zu wollen.

Unterstützt haben den EU-Deal Außenministerin Annalena Baerbock und der Bundesparteivorsitzende Omid Nouripour. Sie sehen die Maßnahmen zwar ebenfalls kritisch, verteidigen die Zustimmung der Bundesregierung aber als eine notwendige Entscheidung: Hätte Deutschland dagegen gestimmt, „wäre eine gemeinsame europäische solidarische Asylpolitik auf Jahre tot“, schrieb Baerbock am Donnerstag.

Ex­per­t:in­nen befürchten, dass infolge des Deals kaum noch Menschen Asyl gewährt werden würde. Viele würden stattdessen in sogenannten Grenzverfahren landen, monatelang in Haftlagern sitzen und schließlich in angeblich sichere Drittstaaten abgeschoben werden. Die Zustimmung zur Reform empfinden viele Grüne als Verrat an der Parteilinie. Der Bundesvorstand der Grünen reagierte auf die Kritik mit der Anpassung des Leitantrags.

Andresen findet eine klare Positionierung der Grünen nicht nur in Bezug auf GEAS wichtig. „Sowohl in der Bundespolitik als auch auf EU-Ebene liegen viele Asylrechtsverschärfungen auf dem Tisch. Ich würde mir wünschen, dass wir uns als Partei klar dazu verhalten und gegen die Verschärfungen weiter kämpfen“, sagt Andresen.

Diskussionsreicher Samstag erwartet

Sowohl Andresen als auch sein EU-Parteikollege Erik Marquardt rechnen mit zahlreichen Änderungsanträgen, die beim Länderrat diskutiert werden müssen. Auch Marquardt kritisiert den Asylbeschluss. „Es wird immer der Eindruck erweckt, es gäbe nur diese eine Möglichkeit, Veränderungen in der EU-Asylpolitik zu bewirken. Entweder das oder gar nichts“, sagt der EU-Parlamentarier. Das stimme aber nicht. „Wir können Einfluss nehmen und eigene Ideen einbringen.“

Der Deal würde zudem seinen Zweck nicht erfüllen, sagt Marquardt. „Wir sind als Partei davon überzeugt, dass Abschottung nur zu noch mehr Chaos an den Außengrenzen Europas führen wird.“ Menschen auf der Flucht würden trotzdem Wege nach Europa finden, wahrscheinlich noch gefährlichere als bisher.

Angesichts der heftigen Reaktionen auf den EU-Deal aus den Reihen der Grünen stehen heiße Debatten bevor. „Die Diskussion ist wichtig, schließlich ist Asylpolitik ein schwieriges, polarisierendes Thema“, sagt Marquardt. Wenn am Samstag keine Einigung erreicht wird, werde die Diskussion sogar in einem Sonderparteitag münden.

So wie der Asylkompromiss jetzt ist, lehnt Marquardt ihn ab: „Gar keinen Deal zu haben, wäre immer noch besser als das, was der Rat beschlossen hat.“ Für ihn sei es unerlässlich, dass die Partei ihrer eigenen Linie treu bleibt. „Wir haben unseren Anspruch an die Asylpolitik im Koalitionsvertrag formuliert und dazu müssen wir jetzt auch stehen.“

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