Justizreform in Israel: Eins nach dem anderen

Die Proteste gegen die ultrarechte Regierung dauern trotz Einlenken Netanjahus an. Um die Massen zu mobilisieren, darf die Besatzung kein Thema sein.

Ein wütender Demonstrant in Tel Aviv

Demo in Tel Aviv gegen die ultrarechte Regierungskoalition Netanjahus Foto: Nir Elias/reuters

Es wäre keineswegs nur eine kleine Korrektur, würde Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die Aufhebungsklausel einmotten. So zumindest hatte er es angekündigt, um dann doch wieder den ultrarechten Koalitionspartnern nachzugeben. Die Aufhebungsklausel würde das Ende der Gewaltenteilung bedeuten und war von Beginn der neuen Regierung an zentraler Punkt für die Protestbewegung.

Netanjahu strebt offensichtlich eine Art „Justizreform light“ an. Ein Balanceakt, um die Koalitionsparteien im Boot zu behalten und die Konsequenzen für deren Reformvorstellungen auf ein Minimum zu beschränken. Die rund 150.000 Leute, die am Wochenende erneut vor das Tel ­Aviver Rathaus zogen, hat er wenig überzeugt.

Den Regierungschef dürften allerdings nicht zuerst die Massendemonstrationen zum Einlenken motiviert haben, sondern vielmehr der hohe Preis der geplanten Rechtsreformen. Um rund 80 Prozent sind die Investitionen allein im IT-Bereich geschrumpft, und Rettung ist nicht in Sicht. Die erklärte Abkehr von der Aufhebungsklausel galt den ausländischen InvestorInnen.

Doch auch ohne die Klausel bleibt die Liste der umstrittenen Gesetzesreformen lang. Allein die Regelung, dass fortan eine Dreiviertelmehrheit in der Knesset nötig ist, um dem Regierungschef die Immunität zu nehmen, stinkt zum Himmel. Völlig richtig ist es deshalb, dass die unermüdlichen DemokratInnen im Land ihren Kampf gegen die Regierung fortsetzen.

Richtig auch, diesen Kampf nicht mit der Besatzung in den Palästinensergebieten zu vermischen, obschon natürlich eine direkte Verbindung besteht. Zwei Generationen sind es schon, die in dem Gefühl aufwachsen, es sei völlig in Ordnung, einem anderen Volk Freiheit und Selbstbestimmungsrechte abzusprechen. Nicht gerade die beste Voraussetzung für ein gesundes Demokratiebewusstsein.

Doch ginge es jetzt auch um Gerechtigkeit für die PalästinenserInnen, würde der Protest massiv zusammenschrumpfen. Deshalb gilt „Para, Para“, wie es ein israelisches Sprichwort sagt. „Eine Kuh nach der anderen“ – ab zum Schlachter.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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