Forderung nach Helmpflicht: Lieber sichere Radwege

Dass die Verkehrssenatorin die Verantwortung auf die Radler abwälzen will, anstatt sichere Infrastruktur zu schaffen, ist das Problem. Nicht ihr Doktortitel.

Teilnehmer der ADFC-Sternfahrt fahren über die für Autos gesperrte Autobahn-Teilstrecke Avus der A115.

Ohne Autos radelt es sich mit und ohne Helm sicher – hier bei der ADFC-Sternfahrt auf der Avus Foto: dpa

Wie viel Mobilitätswende kann man von einer CDU-Politikerin und ehemaligen Bau-Lobbyistin erwarten? Nicht allzu viel, das hat Verkehrssenatorin Manja Schreiner mit ihrem desaströsen Planungsstopp für Radwege schon eindrucksvoll bewiesen. Dass es Schreiner trotz aller Beteuerungen „pragmatische Verkehrspolitik für alle“ nur um die Aufrechterhaltung der Dominanz des Autos geht, zeigte sie auch wieder mit ihrer jüngsten Forderung nach einer Helmpflicht für Radfahrer:innen.

„Die Helmpflicht wäre ein sinnvoller Beitrag für mehr Verkehrssicherheit“, sagte Schreiner am Dienstag der Deutschen Pressegentur. Damit bekräftigte sie die Forderung ihres brandenburgischen Partei- und Amtskollegen Guido Beermann (CDU), der die Idee einen Tag zuvor in einem Interview mit der MAZ aufbrachte.

Das Aufwärmen der Helmpflichtdebatte, die seit Jahrzehnten immer mal wieder geführt wird, ist so perfide wie durchschaubar. Nach außen hin gibt sich Schreiner besorgt über die Verkehrssicherheit von Radfahrer:innen. Auf den ersten Blick wirkt die Forderung auch vernünftig: Immerhin verringert ein Helm die Wahrscheinlichkeit von schweren Kopfverletzungen beträchtlich.

Doch wie Beispiele aus Kanada und Australien zeigen, führt eine Helmpflicht vor allem dazu, dass weniger Menschen radfahren, weil sie keine Lust haben, Helm zu tragen oder sie sich keinen leisten können – das ist alles schon seit Jahren bekannt und auch in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen nachzulesen.

Besser Infrastruktur statt Helmpflicht

Glücklicherweise ist die Einführung einer Helmpflicht für Berlin allein nicht ohne weiteres möglich. Wenn, dann müsste schon eine bundesweite Regelung her.

Was bleibt, ist ein diskursives Ablenkungsmanöver. Beinahe zynisch ist es, dass Schreiner als Verkehrssenatorin die Verantwortung beim Thema Sicherheit auf das Individuum auslagern will. Denn ein Hauptgrund, warum viele Ber­li­ne­r:in­nen derzeit noch aufs Fahrrad verzichten, ist, dass sie sich inmitten der Flut von Blechpanzern nicht sicher fühlen. Die Lösung sind keine Helme, sondern sichere Infrastruktur.

Derzeit kann nur auf den wenigen in den vergangenen Jahren fertiggestellten geschützen Radwegen der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern auch tatsächlich eingehalten werden. Auf allen anderen Wegen donnern weiterhin tonnenschwere Lastwagen mit Haaresbreite an einem vorbei. Da kommt auch mit Helm nur wenig Sicherheits-Feeling auf.

Was den Radwegausbau angeht, haben sich einige der schlimmsten Befürchtungen mittlerweile bewahrheitet. So werden in Neukölln rund 600.000 Euro Bundesfördermittel für einen geschützten Radweg auf der Sonnenallee verfallen, wie der Tagesspiegel am Mittwoch berichtete. Bei einer derart rückwärtsgewandten Politik sind die Plagiate, die in Manja Schreiners Doktorarbeit gefunden wurden, noch das geringste Problem.

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