Solidarität mit Israel: Demo in Berlin: Gesten – aber mit Wirkkraft

Die Demo am Brandenburger Tor ist ein Signal an Juden und Israelis: Ihr seid nicht allein. Aber bildet sie wirklich die Zivilgesellschaft ab?

Das Brandenburger Tor, davor viele Demonstranten, einige Israelfahnen

War es genug? Foto: Monika Skolimowska/dpa

Endlich! Zwei Wochen nach dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten hat sich eine nennenswerte Zahl an Deutschen aus Protest gegen dieses Pogrom zusammengefunden. Eine unübersehbare Menschenmenge demonstrierte am Sonntag in Berlin.

Diese Veranstaltung ist mehr als eine Selbstvergewisserung, doch auf der richtigen Seite, der der Zivilisation nämlich, zu stehen. Wohl keiner der Teilnehmer wird Illusionen über eine Beeinflussung der Politik der Hamas gehegt haben. Für die Terrortruppe ist es vollkommen belanglos, ob in Berlin demonstriert wird oder nicht. Dies gilt aber nicht für die Israelis, die weiterhin Angst um ihr Leben haben müssen, und es gilt schon gar nicht für die Jüdinnen und Juden in Deutschland.

Da ist der versuchte Anschlag auf eine Berliner Synagoge. Da sind die Davidsterne, die, Nazi-Kennzeichnungen gleich, an den Wohnungstüren von Juden angebracht werden. Die brennenden und gestohlenen Israel-Flaggen überall in Deutschland tragen auch nicht zu mehr Vertrauen bei, ganz abgesehen von den gewalttätigen Ausschreitungen am Rande von Palästinenser-Demonstrationen, nicht zu vergesse der im Netz großflächig gestreute antisemitische Hass. All dies zusammen produziert Furcht. Sind bei Ihnen im Briefkasten schon einmal anonyme Schmähungen aufgetaucht? Wenn nicht, dann hatten Sie entweder Glück oder Sie sind nicht jüdisch.

Die Demonstration am Brandenburger Tor ist deswegen der Versuch, den hier lebenden Juden zu sagen, dass sie nicht allein sind. Ihre Furcht können wir ihnen nicht nehmen. Aber wir können ihnen unsere Solidarität versichern. So sprach Bundespräsident Steinmeier in Berlin, nichts anderes machte Bundeskanzler Olaf Scholz am gleichen Tag, als er der Einweihung der Synagoge in Dessau beiwohnte – 85 Jahre nach der Zerstörung des alten Gotteshauses. Es sind Gesten, aber sie sind sehr wichtig.

Hart am Rande des Rechtsstaats

In Dessau zeigte der Staat Präsenz und demonstrierte, wo er steht. Aber auch die Kundgebung in Berlin war nicht von der Zivilgesellschaft geprägt, deren Mattigkeit in dieser Angelegenheit mehr als bedenklich wirkt. Wohl aus der Sorge heraus, dass sich nur die üblichen Verdächtigen zum Demonstrieren bequemen würden, hatte sich ein ganz breites Bündnis zu ihrer Unterstützung gebildet – von den Grünen bis zur CSU, von Arbeitgebern bis zu den Gewerkschaften. Dieses Bündnis ging bei allem Verständnis zu weit, denn es hat aus einer Demo einen Staatsakt gemacht.

Es ist nicht Aufgabe eines Bundespräsidenten, auf einer Veranstaltung der Zivilgesellschaft zu sprechen. So entsteht der Eindruck, als sei eine Demonstration von staatlichen Akteuren gekapert worden. Das hat mehr geschadet als genutzt, denn es weckt Zweifel, ob es wirklich die Zivilgesellschaft in Deutschland ist, die ihre Solidarität ausdrückt.

Einige hundert Meter von der Solidaritätskundgebung für Israel entfernt wollten am Sonntag auch Palästinenser demonstrieren. Es wurde untersagt. Dieses und weitere Verbote mögen angesichts antisemitischer Hassbotschaften bei früheren Veranstaltungen gut begründet sein. Es liegt nahe, dass auch diese Kundgebung nicht dem Schmerz der Zivilisten hätte gelten können, sondern der Solidarität mit Terroristen. Das Verbot ist dennoch ein Mittel hart am Rande des Rechtsstaats. Es lässt manche Menschen glauben, Palästinenser dürften nicht demonstrieren, Deutsche aber doch. Diese Sichtweise ist falsch. Aber sie wird in den Köpfen vieler arabischstämmiger Deutscher nicht für Distanz zu den Islamisten sorgen.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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