Zunehmende Gewalt im Westjordanland: Brandgefährliche Siedler

Die Berichte von Gewalt im Westjordanland häufen sich. Die militärische Rolle der teils radikalideologischen Sied­le­r*in­nen ist bedrohlich.

Eine Frau geht an einem zerstörten Haus im Flüchtlingslager von Tulkarem im Westjordanland vorbei.

Die israelische Armee hinterlässt nach ihrem Rückzug aus dem Flüchtlingslager Tulkarem im Westjordanland im Januar 2024 Zerstörung Foto: dpa/Nasser

Amnesty International (ai) fordert vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), die Tötungen und Verletzungen von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im Westjordanland in den letzten vier Monaten als mögliche Kriegsverbrechen zu untersuchen.

Das Militär habe „in den letzten vier Monaten eine brutale Welle der Gewalt gegen Palästinenser im besetzten Westjordanland entfesselt“ und Verletzten medizinische Hilfe verweigert.

Die Chancen, dass der IStGH Israel tatsächlich in dieser Sache verurteilen würde, sind dünn. Dafür wäre eine lückenlose Beweisführung nötig, die herzustellen schwierig werden dürfte. Insofern sind die Forderungen von ai wohl eher als Rhetorik zu verstehen.

Doch sie bieten die Möglichkeit, Licht auf eine fatale Struktur innerhalb des israelischen Militärs zu werfen: die Einberufung von zahlreichen Siedler*innen, die im Westjordanland aktiv sind.

5.500 Siedler sind in den Dienst berufen worden

Laut Militär ist diese Mobilisierung notwendig, da große Teile der normalerweise dort stationierten Kräfte nach dem 7. Oktober in den Gazastreifen und in den Norden Israels verlegt wurden. Seitdem spielen die sogenannten regionalen Verteidigungsbataillone eine viel stärkere Rolle. Sie bestehen hauptsächlich aus lokalen Re­ser­ve­sol­da­t*in­nen – in diesem Fall Siedler*innen.

5.500 Siedler sind seit dem 7. Oktober in den Dienst vor Ort berufen worden. In Uniform und bewaffnet sind sie in ihren Siedlungen und in anliegenden palästinensischen Dörfern unterwegs – unter ihnen auch radikalideologische Sied­le­r*in­nen und solche, die bereits wegen Gewalttaten gegenüber Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen vor Gericht gestanden haben – mindestens einer von ihnen hat seine Taten in einer Verständigung zugegeben.

Seitdem häufen sich Berichte von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen und jüdischen Aktivist*innen, dass Sied­le­r*in­nen in Uniform sie angegriffen und bedroht hätten. Dass die Siedler nun nicht nur in der Mitte der Regierung angekommen sind, sondern seit dem 7. Oktober auch eine große militärische Rolle im Westjordanland spielen, ist eine brandgefährliche Entwicklung.

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Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.

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