Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes: Historisch und doch frustrierend

Die Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland ist ein richtiger Schritt. Aber um den Schwarzmarkt zu bekämpfen, kann das jetzige Gesetz nur der Anfang sein.

Hanfparade mit einem großen Cannabisblatt aus Plastik

Hanfparade in Berlin 2022: Der lange Einsatz für eine Entkriminalisierung von Cannabis endet in einem Reförmchen Foto: Christian Mang

Was für eine schwere Geburt. Nach mehrfachen Modifizierungen ist das Cannabis-Gesetz am Freitag endlich mit den Stimmen der Ampelkoalition, unterstützt von den Gruppen der BSW und der Linken vom Bundestag verabschiedet worden. Nach Jahrzehnten gescheiterter Prohibitionspolitik verabschiedet sich die Bundesrepublik von überkommenen Dogmen – das ist, bei aller Kritik an den vielen Punkten, in denen das Gesetz zu kurz springt, schon historisch.

Noch einmal gab es eine leidenschaftliche Debatte, in der die konservative Seite alle ollen Kamellen auftischte, die in den vielen Jahren CDU/CSU-geführter Drogenpolitik eine Wende hin zu einer vernunft- und evidenzbasierten Linie verhinderten. Aber die Anti-Cannabis-Brandmauer von Union und AfD reichte nicht mehr aus, und es war befriedigend zu sehen, dass all die guten Argumente, die in der Gesamtgesellschaft und erst recht in Ex­per­t*in­nen­kreisen schon so lange bekannt und eta­bliert sind, endlich auch im Bundestag gehört wurden – und dann auch noch eine Mehrheit fanden.

Bis zu dieser Legislaturperiode war das undenkbar, auch weil es insbesondere in der SPD unfassbar große Anstrengungen brauchte, um sich von der alten Verbotsideologie zu verabschieden. Und trotzdem ist es erschreckend, selbst 2024 noch CSU-Politiker, wie den Abgeordneten Stephan Pilsinger, zu hören, die mit dem Argument, Cannabis sei gefährlich und gehöre deshalb verboten, ihre vollkommene Realitätsverweigerung dokumentieren.

Das Gesetz, so wie es jetzt ist, kann nur der Anfang sein. Denn auch wenn die Red­ne­r*in­nen der Koalition vor allem darauf hinwiesen, man wolle mit der Legalisierung den Schwarzmarkt bekämpfen, so wissen auch sie, dass das, so wie das Gesetz gestrickt ist, kaum passieren kann. Eigenanbau und Cannabis-Clubs werden die derzeitige Nachfrage nicht befriedigen können.

Ein halbgares Gesetz

Die inzwischen als solche bezeichnete „2. Säule“, also Anbau und Verkauf unter staatlicher Lizenz, muss so schnell wie möglich dazukommen, und nicht nur in wenigen punktuellen Modellprojekten. Das war ja eigentlich auch das Versprechen des Koalitionsvertrags – hier haben konservative Kräfte nicht nur von CDU/CSU, sondern auch innerhalb der SPD dafür gesorgt, dass dieser essenzielle Bestandteil einer sinnvollen Kehrtwende weiter verzögert wird.

Damit bleibt das Gesetz halbgar und kann seine Ziele nicht erreichen – was auch eine sinnvolle zeitnahe Evaluierung schwierig macht. Man kann zu Recht sagen: Demokratie ist halt schwierig und verpflichtet zur Kompromisssuche. Das ist auch richtig so – aber Kompromisse zwischen Vernunft und Unsinn bleiben trotzdem frustrierend.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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