Hilfskonvoi in Gaza geplündert: „Minimale humanitäre Hilfe“

Schon wieder ist eine Hilfslieferung in Gaza geplündert worden. Hinter der Not scheint Kalkül zu stecken. Die Region braucht jetzt eine Kampfpause.

Ein mann hält brot in Plastiktüten in seinen Händen

Beim Brotkauf in Rafah: Laut der UNO sind mehr als ein Viertel der rund 2,3 Millionen Bewohner von Gaza vom Hungertod bedroht Foto: Fatima Shabier/ap

Die Worte von Armeesprecher Daniel Hagari, Israel wolle „Hilfe und humanitäre Korridore“ in Gaza ermöglichen, sind noch keine drei Tage alt, als israelische Soldaten am Dienstag 14 Lastwagen des Welternährungsprogramms vor Gaza-Stadt stoppen.

Der Transport mit 200 Tonnen Hilfsgütern muss die Route ändern und wird schließlich von verzweifelten Menschen geplündert, bevor er die am schlimmsten betroffene Region im Norden des Küstenstreifens erreicht. Kaum eine Woche zuvor hatten israelische Soldaten das Feuer auf hungrige Zivilisten nahe eines anderen Hilfskonvois eröffnet, mehr als einhundert Menschen starben.

Es klingt vor diesem Hintergrund zunehmend nach bedeutungslosen Phrasen, wenn die Armee und die für Zusammenarbeit mit Palästinensern zuständige Cogat-Behörde unermüdlich wiederholen, Israel tue alles, um das Leid der Zivilisten in Gaza zu lindern.

Tatsache ist, dass Israel fast die gesamte Grenze zu Gaza kontrolliert. Es liegt in der Hand der israelischen Führung, die humanitäre Katastrophe in Gaza zu beenden und zusätzliche Schleusen für Hilfslieferungen über Land zu öffnen, wie es Hilfsorganisationen seit Monaten fordern. Stattdessen verschlimmert sich die Situation von Woche zu Woche.

Menschliches Leid für militärischen Erfolg

Das Problem liegt nicht darin, dass humanitäre Hilfe schwer nach Gaza zu bringen wäre. Es liegt darin, dass die israelische Führung das nicht möchte. Das ist kein Geheimnis: Verteidigungsminister Joaw Gallant hat in den ersten Tagen des Kriegs eine „komplette Belagerung“ angeordnet: „Keinen Strom, kein Essen, keinen Treibstoff“ solle Gaza erhalten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wiederholte jüngst: „Wenn wir unsere militärischen Ziele erreichen wollen, lassen wir nur minimale humanitäre Hilfe zu.“

Tag für Tag wird deutlicher, was „minimal“ in diesem Zusammenhang bedeutet: Die Berichte so gut wie aller Hilfsorganisationen zeichnen ein katastrophales Bild. Laut der UNO sind mehr als ein Viertel der rund 2,3 Millionen Bewohner von Gaza vom Hungertod bedroht. In Onlinenetzwerken mehren sich Bilder abgemagerter Kinder und verzweifelter Eltern. Nach palästinensischen Angaben sind bereits mehr als 15 Kinder an Unterernährung gestorben, wenngleich sich diese Angaben kaum überprüfen lassen.

Die Grenzen des humanitären Völkerrechts sind in diesem Krieg bereits zu häufig verletzt worden, sowohl von der Hamas als auch von der israelischen Armee. Wenn diese Regeln nach dem Krieg in Gaza noch etwas bedeuten sollen, darf das Leid der Zivilisten nicht länger folgenlos bleiben und derzeit hat es Israel in der Hand, an dieser Situation etwas zu ändern. Eine mehrwöchige humanitäre Kampfpause wäre ein erster Schritt.

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berichtet für die taz aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Geboren 1989. Er hat Politik- und Sozialwissenschaften in Jena, Dresden und Kairo studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Ernst Cramer & Teddy Kollek-Fellow.

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