FDP-Bundesparteitag: Das Leiden der Liberalen

Die FDP will die Ampel nicht in die Luft sprengen. Jedenfalls jetzt nicht. Ihre Unzuverlässigkeit wird am Ende ihr selbst schaden.

Lindner am Rednerpult

FDP-Parteitag: Hadern mit der Ampel Foto: Liesa Johannssen/rtr

Will Christian Lindner die Ampel noch? Bereitet er den Ausstieg vor? Nach dem FDP-Parteitag scheint es so, als hätte sich die FDP vor allem mit Lärm und schrillen Forderungen in den Fokus den öffentlichen Interesses katapultieren wollen. Entwarnung: Christian Lindner will die Koalition nicht in die Luft jagen. Deren Trümmerteile würden wohl auch die übersichtlichen Chancen der FDP, ein politisch relevanter Faktor zu bleiben, unter sich begraben.

2024 ist nicht 1982. Damals wechselten die Liberalen von der SPD zur Union – und blieben, als unverzichtbarer Königsmacher in der Regierung. Heute würde sie in Bedeutungslosigkeit versinken: ein Funktionspartei ohne Funktion.

Nicht nur machtpolitisch ist das Kokettieren mit dem Bruch unberaten. 1982 schien der Neoliberalismus a la Thatcher und Reagan die Zukunft zu sein. Weniger Staat, mehr Markt. Seit der Finanzkrise 2008 ist der Neoliberalismus, auf den die FDP jetzt alles setzt, ein Zombie. Die Mixtur von halsstarrig verteidigtem Sparkurs und kaputten Autobahnen und Schulen finden auch Liberale und Konservative jenseits den deutschen Grenzen 2024 seltsam: crazy germans.

Beim Parteitag rang Lindner sich ein paar freundliche Worte zur Regierung ab und lobte Bürokratieabbau und Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es klang wie: Es war nicht alles schlecht. Die FDP ist in der Ampel so unglücklich, dass sie sogar unfähig ist, ihre paar Erfolge wie die Aktienrente zu feiern.

Die Liberalen inszenieren sich gern als unverzagte Macher, vibrierend vor ungetrübten Glauben an technischen Fortschritt und die Kraft des Individualismus. Auch deshalb wirkt ihr selbstverliebtes Leiden an den Zumutungen des Regierens so deplatziert. Es ist nicht das erste Mal. Auch in der schwarz-gelben Koalition 2009 bis 2013 fremdelten die Liberalen mit jedem Kompromiss.

Wer braucht eine Partei, die immer alles besser weiß, aber praktisch – wie bei der vollmundig versprochenen Digitalisierung – versagt? Auch die mit markigen Worten proklamierte marktradikale Wirtschaftswende wird ein Konjunktiv bleiben. Realpolitiker, die keine Realpolitik können – wer soll das attraktiv finden?

Die FDP hat den Zoff mit SPD und Grünen zwar nicht weiter eskaliert. Aber sie hat die Drohung, die Koalition zu beenden, etabliert. Damit hofft sie ihre Durchschlagskraft qua Erpressung zu erhöhen. Taktisch mag sie sich für die anstehenden, stressigen Haushaltsverhandlungen der Ampel einen Vorteil versprechen. Eine kluge Strategie ist das nicht. Wer zu oft droht, ohne Konsequenzen zu ziehen, wird nicht mehr ernst genommen.

Die FDP zementiert gerade ihren Ruf, unzuverlässig zu sein. In dem alten, westdeutschen Drei-Parteiensystem war die Wankelmütigkeit der Liberalen ein strategischer Vorteil. Heute hat diese Launenhaftigkeit etwas Selbstzerstörerisches.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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