Aktivst über Bildungsplan in BaWü: „Wir werden damit sichtbar“

Christoph Michl vom CSD Stuttgart über sexuelle Vielfalt, sein Gespräch mit Ministerpräsident Kretschmann und warum Lehrer sich nicht mehr wegducken können.

„Mit den Änderungen wird deutlich, dass wir unumstößlich zur Vielfalt unserer heutigen Gesellschaft gehören.“ Bild: dpa

taz: Herr Michl, sexuelle Vielfalt ist als Querschnittthema aus dem Bildungsplan verschwunden. Ist Grün-Rot eingeknickt?

Christoph Michl: Ich sehe das nicht als Einknicken. Im Gegenteil, mit den Änderungen wurde erreicht, was die Community die ganze Zeit fordert: sexuelle Orientierung und die Vielfalt von Geschlecht werden explizit und verbindlich benannt. Wir werden damit sichtbar.

Komisch Sie sehen sich als Sieger genauso wie die Kritiker. Die FDP spricht von Kehrtwende.

Das mag sie so sehen. Aber eine Kehrtwende wäre, wenn das Thema aus dem Bildungsplan gestrichen worden wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Das wird auch die FDP noch realisieren.

Der Begriff wird nicht gestrichen?

Nein. Wir hatten am Montag ein persönliches Gespräch mit Ministerpräsident Kretschmann, der uns versicherte, dass „sexuelle und Vielfalt von Geschlecht“ verbindlich und explizit im Bildungsplan auftauchen.

Wenn, dann im Absatz „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt.“ Droht das Thema nicht unterzugehen?

Nein, denn es macht deutlich, dass Vielfalt mehr ist als etwa religiöse Vielfalt. Im Grund wäre es ja auch diskriminierend, wenn Schwule, Lesben, Transgender und Queer so wie bisher unter jedem der fünf Leitprinzipien als Einzige extra benannt werden. Mit den Änderungen wird deutlich, dass wir unumstößlich zur Vielfalt unserer heutigen Gesellschaft gehören.

Jahrgang 1978, ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft CSD Stuttgart e.V., die den jährlichen Christopher Street Day organisiert.

Besteht so nicht die Gefahr, dass LehrerInnen im Unterricht lieber die Vielfalt der Religionen behandeln und das schlüpfrige Thema sexuelle Vielfalt übergehen.

Wenn lesbische, schwule, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen fest verankert im Bildungsplan stehen, kann kein Lehrer sich wegducken. Der nächste große Schritt wird sein, das Thema in den konkreten Lehrplänen sowie im Unterrichtsmaterial zu verankern.

Wie fortschrittlich wird Baden-Württemberg mit seinem neuen Bildungsplan im Bundesvergleich sein?

Deutlich mehr steht in den Bildungsplänen von Berlin und Nordrhein-Westfalen auch nicht. Für Baden-Württemberg ist das eine eklatante Verbesserung im Vergleich zu den letzten 60 Jahren. Die schwarz-gelbe Regierung hat uns die ganze Zeit ignoriert. Nun wird die sexuelle Orientierung und die Vielfalt von Geschlecht deutlich sichtbar - wo ist meines Erachtens zweitrangig.

Glauben Sie, dass die aufgeheizte Debatte in Baden-Württemberg mit diesen Korrekturen befriedet ist?

Das glaube ich nicht. Parteien wie die Alternative für Deutschland oder klerikale Kreise werden das Thema am Kochen halten. Es wird uns bis zur Europawahl auch in Form von Demonstrationen erhalten bleiben.

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