Kommentar Bolivianisches Referendum: Boliviens Linke ist stärker als gedacht

Die Mehrheit der BolivierInnen unterstützt den Kurs der Regierung. Evo Morales muss jetzt versuchen die Bürgerlichen zurückzugewinnen.

Das Kalkül der bolivianischen Regierung ist aufgegangen: Im Referendum vom Sonntag haben Präsident Evo Morales und sein Vize Álvaro García Linera ihr eindrucksvolles Ergebnis vom Dezember 2005 sogar noch übertroffen. Mindestens 63 Prozent der WählerInnen unterstützen trotz mancher Widrigkeiten den linken Reformkurs - im chronisch instabilen Bolivien kommt dies einer Sensation gleich. Zudem dürften die bevölkerungsreichen Provinzen La Paz und Cochabamba demnächst von Parteifreunden des Staatschefs regiert werden. Selbst in den vier Tieflandprovinzen Santa Cruz, Pando, Beni und Tarija, die in den letzten Monaten für eine größere Autonomie votiert hatten, konnte Morales Boden gutmachen.

Damit wird offensichtlich, dass die Rechte über weit weniger Rückhalt verfügt, als dies durch die gewonnenen Autonomie-Referenden der letzten Monate den Anschein hatte. Zudem verschleierte das politische Patt zwischen dem indigen geprägten Andenhochland und den erdgasreichen Tieflandprovinzen die Erfolge der Zentralregierung: Dank Morales durchaus gemäßigter Nationalisierungspolitik haben sich die Staatseinnahmen aus dem Rohstoffexport vervielfacht. Die dadurch finanzierten Sozialprogramme kommen vor allem den armen BolivianerInnen auf dem Lande zugute. Mehr denn je stehen sie hinter dem Präsidenten - einem der ihren.

Offen bleibt hingegen, ob die Regierung ihre Relegitimierung dazu nutzen kann, die drohende Spaltung des Landes aufzuhalten. Im Hinblick auf die Referenden hat sich die rhetorische Polarisierung für Evo Morales ausgezahlt. Und nach seinem Sieg und der unverändert uneinsichtigen Haltung der Reaktionäre im Tiefland drängt die Basis auf Radikalisierung. Doch um den Frieden und damit auch sein Projekt zu retten, müsste der Indígena-Präsident jetzt deeskalieren. Er sollte zudem noch deutlicher den berechtigten Kern der Autonomiebestrebungen anerkennen und versuchen, Teile des bürgerlichen Lagers in den Städten für sein Reformprojekt zurückzugewinnen. Die Ende 2007 verabschiedete neue Verfassung muss auf eine breitere Basis gestellt werden - nur dann kann die Neugründung Boliviens gelingen. GERHARD DILGER

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