Kolumne G-kacken: Wir hätten Trump erschießen können

Die Sicherheit an den Messehallen ist genau so hoch, dass man Trump das Toupet vom Kopf ziehen könnte. Doch ein Problem? Gibt es hier nicht!

Sicherheitsbeamte stehen in gelben Westen hinter weißen, legoartigen Pollern

Hier kommt keiner durch! Hier wird mit Lego gespielt Foto: dpa

Schätzungsweise 900 Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen? Rund 20.000 Beamte im Einsatz? So einfach war es am Freitag, bis an den Messe-Haupteingang zum roten Teppich zu gelangen. Und sich dort unbehelligt aufzuhalten.

Die Fotografin Eva Häberle und ich wohnen direkt an den Messehallen. Die Geräuschkulisse kurz vor acht Uhr verrät, es geht los. Wir beschließen, „mal gucken“ zu gehen. Wir sind beide als Journalisten für den Gipfel akkreditiert und wollen zum Pressezentrum.

Vor der Brücke, die dorthin führt, steht ein Beamter zur Kontrolle. Im Vorbeigehen halten wir unsere Ausweise hoch, er blickt flüchtig, nickt. Hätten wir sie selbst gebastelt, kein Pro­blem. Wir überqueren die Brücke. Links ist der Eingang ins Pressezentrum, alle Journalisten müssen zuerst dorthin. Hier finden die Kontrollen statt.

Die Menschentraube vor dem Eingang ist groß. Auf Warten haben wir keine Lust. Wir beschließen, direkt zum Veranstaltungsort zu gehen und zu sehen, wie weit wir kommen. Wir kommen weit. Wir kommen an. Wir passieren Betonpoller, Sondereinsatzwagen, olivgrün uniformierte vermummte Sondereinsatzkräfte.

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Es ist kurz nach 8 Uhr, als wir am Haupteingang mit dem roten Teppich ankommen. Eine BKA-Beamtin streift innerhalb des Areals auf und ab. Wir sitzen hier herum, und so langsam dämmert uns die Situation. Dass wir uns hier aufhalten können, mit unseren Taschen, die nicht kontrolliert wurden. Es wäre jetzt ein Leichtes, mit diesem Rucksack, so Sprengstoff darin wäre, eine Gruppe von Beamten am roten Teppich anzusprechen und sich und die Beamten in die Luft zu jagen. Der Teppich und zumindest der Gipfelvormittag wären ruiniert. Oder die Knarre rauszuholen, wenn Trump kommt.

Ich habe meine Probleme mit den G20 und der Vorstellung von „Politik“, die hier vertreten wird. Und was Innensenator Andy Grote die Polizei dieser Tage veranstalten lässt, liest sich wie eine Bewerbung für einen Posten in der Türkei. Aber ich bin immer noch Mensch genug, nicht zu wollen, dass Anschläge passieren, die keinem nützen, außer dass sie den Herrschenden weitere Rechtfertigung für die Einschränkung der Bürgerrechte liefern.

Ja, es gibt ein Sicherheitsproblem

Wir sprechen die Frau vom BKA an. Sie guckt fassungslos. Unsicher. Aber wir sind der Beweis. Wir turnen hier herum. Sie informiert Kollegen. Es ist unklar, wie es weitergeht. Ein Fotograf taucht auf, er stellt die süße Frage: „Wo geht es hier zum Pressezentrum?“ Wer von den BeamtInnen an unserer Version gezweifelt hat, kann jetzt sicher sein: Ja, es gibt ein Sicherheitsproblem.

Thorsten Kammholz, ebenfalls BKA, begleitet uns zurück. Wir sollen ihm die Lücke zeigen. Wir kommen an ein paar Beamten vorbei. Kammholz sagt, es gehe nicht, dass hier nicht kontrolliert werde. Die Männer sagen, sie seien nicht für Kontrolle zuständig. Der Anführer schält sich heraus, sagt, es wäre wohl besser, sie besprächen das mal miteinander. Das tun sie. Dann gehen wir weiter. „Weltklasse!“, sagt Kammholz.

Wir kommen an dem Pro­blem­punkt an. Kammholz geht zu einem Beamten, sie reden. Dann rennt er mit seinem Telefon am Ohr auf der Straße rum. Er beugt sich vor und zurück wie jemand, dem langsam die Ruhe ausgeht. Zwei Beamte werden herangewinkt. „Was ist Phase?“, fragt der eine. „Phase ist, da geht jetzt keiner mehr durch! Keiner!“, sagt der Einsatzleiter, Jörg Hübner aus Niedersachsen. Und schiebt nach: „Und schon gar nicht die Medien!“

Ich will von ihm wissen, wie so eine Sicherheitslücke möglich sein kann. „Es gibt hier keine ­Sicherheitslücke“, sagt er. Dabei bleibt er. „Feinabstimmungen gibt es immer, die hinterher noch ­gemacht werden müssen“. Aber kein Problem. Es hat nie ein ­Problem gegeben. Meine Freundin und ich hätten, wenn wir anders drauf wären, Trump das Toupet vom Kopf ziehen ­können – und Einsatzführer ­Hübner sagt, es gibt kein Sicherheitsproblem?!? Herr Hübner bleibt freundlich, aber: „Ich sag jetzt gar nichts mehr. Das Sicherheits­konzept, das stimmt hier. Wenn da Lücken auftauchen, dann wird halt nachgebessert.“

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Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!

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