Die Kunst der Woche: Sauger und andere Unruhestifter

Rätselhaft und voller Memento-Mori-Symbolik ist die Welt Atushi Kagas. Bei Wera Bet steckt der Teufel im Detail – er wurde vom Staubsauger verschluckt.

Blick in die Ausstellung von Atsushi Kaga. An der Decke hängen Lampions, auf die gezeichnet wurde, das Wort "End" ist auf einem gezeichneten Marker, wie sie von Wegesrändern bekannt sind, zu lesen. Darunter steht auf einem Sockel eine Gruppe aus Bronzeskulpturen.

Blick in Atsushi Kagas Ausstellung „Things Will Carry Us Through“ bei Tanya Leighton Foto: Gunter Lepkowski

Knopfäugige Häschen haben es auch nicht leicht. Zumindest nicht, wenn sie von Atsushi Kaga gezeichnet, gemalt oder geformt wurden. Die Welt, die der in Japan geborene und in Irland lebende Künstler entwirft, ist bevölkert von putzigen Tierwesen, drolligen Artverwandten der Figuren eines Studio-Ghibli-Films, niedlich wie aus der Spielwarenabteilung. Musterbeispiele sind sie für die Art von Cuteness, der man in letzter Zeit in der Kunst immer häufiger begegnet.

Bei Atsushi Kaga wirkt diese als ein Lockmittel, um von weniger süßen Dingen zu erzählen, von Einsamkeit, Verletzlichkeit, menschlichen Lastern, der Vergänglichkeit des Seins. Der Hase, der einem fast auf allen Arbeiten Kagas begegnet, dient seit langem schon als eigentümliches Alter Ego des Künstlers. In der Pressemitteilung zur Ausstellung ist zu lesen, dass er Usacchi heißt, kaffeesüchtig ist und glaubt, in einem vorherigen Leben eine mexikanische Katze gewesen zu sein.

Rätselhaft sind manche der Bilder, die in Kagas Ausstellung „Things will carry us through“ bei Tanya Leighton zu sehen sind, bei näherer Betrachtung, surreal, beinahe absurd. Oder wie ist der Fuchs zu erklären, der dem schlafenden Usacchi auf dem Gemälde „Things will carry us through“ wie eine Decke über dem Bauch hängt, während dieser gerade von einem Elefanten durch die Fluten getragen wird? Überhaupt bietet das Bild mehrere Ebenen, die man erkunden könnte, den Hintergrund aus Blattgold etwa, der auf die Malerei der Edo-Ära verweist oder die grün bewaldeten Bildschnipsel, die dazwischen aufblitzen und bei denen es sich um Ausschnitte aus Pierre Bonnards „Die Familie Claude Terrasse im Garten“ (1896) handelt.

Atushi Kaga: „Thing will carry us through“, Tanya Leighton, bis 26. August, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Kurfürstenstr. 156

Wera Bet: „Working. Not Working.“, SOX, bis 29. September, tgl. 24 Stunden einsehbar, Oranienstr. 175

Bei einer Sammlung an Zeichnungen, die gerahmt an einer Wand hängen, gibt schon der Titel „Things come and go“ die Richtung vor. So findet sich auf den 23 zarten Bildchen eine Memento-Mori-Symbolik fast wie aus dem Lehrbuch: Spielkarten, heruntergebrannte Kerzen, Kartoffeln, aus denen grüne Keime treiben, Schnittblumen, Schnecken, Holzschilder, auf die das Wort „End“ eingeritzt wurde.

In den kleinen Bronzen wiederum, die auf einem Tisch unter von Kaga bemalten Papier-Lampions arrangiert wurden, werden die zarten Bande von Freundschaften durchgespielt: Häschen, Fuchs und Katze machen gemeinsam auf zwei Lammfellschuheinlagen ein Nickerchen, Hase und Schildkröte musizieren zusammen, Hase und Katze teilen sich eine Banane. Worum es eben geht bei Kaga, ist die Fragilität des Lebens und all dessen, was dieses ausmacht – Träume, menschliche Beziehungen, Materielles und Immaterielles. Zerplatzen kann all das wie die Seifenblasen, die Usacchi so gerne steigen lässt.

Im Auge des Staubsaugers

Ebenfalls zeichnerisch und malerisch arbeitet Wera Bet, die seit Samstag bei SOX auf der Oranienstraße ausstellt. Allein das ist schon Grund zur Freude. Erst kürzlich wurde die Scheibe des Schaufensterprojektraums mutwillig zerstört. Davon ist nichts mehr zu sehen. Das Glas ist ausgetauscht und dahinter sind nun die Zeichnungen Bets angebracht, eine klebt sogar daran. Das passt gut, denn Bets Kunst besteht aus erzählerischen wie assoziativen Schichten, die sich überlagern.

Grafisch wirkt sie, was nicht zuletzt daher rührt, dass die Künstlerin stark von polnischen Plakaten der 1950er bis 1970er Jahre inspiriert ist. Vorne sticht das Bild eines Staubsaugers ins Auge, Sinnbild einerseits für weiblich konnotierte Hausarbeit, aber auch für maschinelle Kraft, mit der man die eigene verstärken kann. So ein Sauger ist ja überhaupt ein tolles Gerät, kann er doch unliebsame Dinge zum Verschwinden bringen. In sein Inneres lässt sich in der größten der drei Zeichnungen blicken, wobei Blicken schon das richtige Stichwort ist: Auf ein überdimensioniertes Auge schaut man da, auf Wimpern, Pupille und Äderchen. Weiter hinten im Korpus des Saugers sind einige mythologische Anspielungen zu entdecken, ein herumwandelnder Teufel, die Blüte einer Narzisse, ein Satyr, der eine nackte Frau zu belästigen scheint. Ist das der Dreck, der weggesaugt wurde?

Ansicht der Ausstellung „Working. Not working“ von Wera Bet Foto: Trevor Good

Von Rita Gorgonowa erzählt die Künstlerin im Gespräch während der Eröffnung, einer polnischen Gouvernante, die zum Subjekt einer der spektakulärsten Kriminalfälle der zweiten polnischen Republik wurde, schuldig gesprochen für den Mord an einer 17-Jährigen, ohne dass es dafür je einen Beweis gegeben hätte. Geschlechterverhältnisse sind ein großes Thema Bets, Lee Lozano, die sich in ihrer Kunst drastisch und mit beißendem Humor mit solchen auseinandersetzte, dient dabei als Referenz. Man kann das recht deutlich sehen in den Werkzeugen, den Hammern, Zangen, Nägeln, die Bet gezeichnet hat.


„The dirt of the World“, hat sich da im Staubsauger angesammelt: „Like a whirlwind of facts and confusions, An empire of signs“. So steht es in dem Gedicht von Lucile Bouvard, Kuratorin der Ausstellung, das dieses begleitet, Motive aufgreift und noch weitere Bedeutungsfenster öffnet.

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Redakteurin für Berlin Kultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Für die taz schreibt sie vor allem über zeitgenössische Kunst, Musik und Mode. Für den taz Plan beobachtet sie als Kunstkolumnistin das Geschehen in den Berliner Galerien und Projekträumen.

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