Türkische Opposionspartei CHP: Erneuerer Özgür Özel wird CHP-Chef

Mit dem Ex-Apotheker gibt es einen Generationswechsel bei der CHP. Vorgänger Kılıçdaroğlu hatte gegen Erdogan die Präsidentschaftswahl verloren.

Özgür Özel (links) und sein Vorgänger Kemal Kilicdaroglu stecken auf diesem Archivbild am 2. Juni 2023 im Parlament in Ankara die Köpfe zusammen

Özgür Özel (r.) und Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu auf dem Parteitag der CHP in Ankara Foto: Necati Savas/epa

ISTANBUL taz | Es war ein zähes Ringen auf dem Parteitag der sozialdemokratisch-kemalistischen Opposition, doch am Ende siegten die Erneuerer. Kemal Kılıçdaroğlu, seit 13 Jahren Chef der CHP und als Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan wiederholt nur zweiter Sieger, muss das Feld für Özgür Özel räumen. Die letzte Niederlage von Kılıçdaroğlu im Mai dieses Jahres, als Erdoğan gegen jede Wahrscheinlichkeit dennoch gewann, war eine zu viel.

Schon unmittelbar nach der Riesenenttäuschung Ende Mai forderte ein großer Teil der Partei den Rücktritt von Kılıçdaroğlu, doch der 74-jährige CHP-Chef wehrte sich mit allen zur Verfügung stehenden Tricks. Unterstützt von der alten Garde der Partei, tat er alles, um seinen prominentesten Kontrahenten, den Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu, zu verhindern.

Der muss im kommenden März bei den Kommunalwahlen um seine Wiederwahl kämpfen und hat außerdem mehrere Verfahren am Hals, mit denen ihn Erdoğan schon vor den Präsidentschaftswahlen aus der Politik verbannen wollte. Der Widerstand Kılıçdaroğlus, die Parteiführung an ihn zu übergeben, führte letztlich dazu, dass statt İmamoğlu dann der bisherige Geschäftsführer der CHP-Parlamentsfraktion, Özgür Özel, gegen Kılıçdaroğlu antrat.

Der 49-jährige Özgür Özel repräsentiert wie İmamoğlu die neue Generation der CHP. Weniger ideologisch als die alte Garde, hungriger auf Erfolg, eine Generation, die sich nicht mehr damit zufriedengeben will, einige Bürgermeister zu stellen und ansonsten im Parlament von Erdoğan vorgeführt zu werden.

Özels Wahl löst einen parteininternen Motivationsschub aus

Özel ist von Haus aus Apotheker. Er stammt aus der westtürkischen Provinz Manisa und lebt mit seiner Frau, die ebenfalls Pharmazeutin ist, in Izmir, einer Hochburg der CHP, die Erdoğan nie gewinnen konnte. Bevor er 2011 ins Parlament gewählt wurde, war er Vorsitzender der türkischen Apothekervereinigung.

Im Parlament hat Özel sich als scharfer Redner profiliert, vor allem die Jüngeren in der Partei unterstützen ihn. Er will den bürokratischen Apparat der ältesten Partei der Türkei, der sich mehr oder weniger selbst genügt, aufbrechen und neue Akzente setzen.

Am Montag soll ein neuer Parteivorstand gewählt werden. Mit Özel und İmamoğlu steht nun eine neues, junges Team an der Spitze der alten Partei, das gewillt ist, die Depression nach der Niederlage im Mai zu vertreiben und zunächst einmal erfolgreich die von der CHP regierten Großstädte wie Istanbul, Ankara, Izmir, Adana und Antalya bei den Kommunalwahlen im kommenden März zu verteidigen.

Schon jetzt zeigt sich, dass viele CHP-Anhänger durch die Wahl von Özel neu motiviert sind. Die Wahl Özels ist der erste demokratische Wechsel auf einem Parteikongress in der Geschichte der CHP. Aber auch in den anderen türkischen Parteien war bislang nie ein Parteivorsitzender durch demokratische Wahlen abgesetzt worden. Die Wahl von Özel ist deshalb auch ein Zeichen gegen die Diktaturen der großen Patriarchen und für eine Modernisierung des Parteiensystems.

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