Mitgründerin über Pro-Gendern-Ini: „Wir sind gegen Sprachverbote“

In Hamburg fordert eine Volksini ein Gender-Verbot. „Die Mitgemeinten“ wollen dagegen für Vielfalt werben. Christina Maria Huber erklärt die Strategie.

Hinter das Wort "Besucher" hat jemand auf einem Schild ":innen" geschrieben

Guerrilla-gegendert: Schild mit Zusatz „:innen“ Foto: Foto: Marijan Murat/dpa

taz: Frau Huber, wer sind „Die Mitgemeinten“?

Christina Maria Huber: Wir sind ein Bündnis aus Verbänden, Gewerkschaften und Privatpersonen, das sich aus der Diskussion und dem Engagement für sprachliche Vielfalt gegründet hat. Bei uns sind diejenigen willkommen, die im generischen Maskulinum nur mitgemeint sind. Menschen, die sich dadurch nicht benannt fühlen und alle, die sich mit ihnen solidarisieren.

Mit welchem Ziel?

Mit dem Ziel, für unser Thema, die Aufklärung über geschlechtersensible Sprache, öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen und in den Hamburger Diskurs einzutreten. Wir wollen die Debatte nicht nur den Geg­ne­r:in­nen des Genderns überlassen. Deswegen ist die Kampagne „In Hamburg darfst du gendern“ jetzt das Herzstück unserer Tätigkeit. Auch um Menschen abzuholen, die Gendern nicht schön oder hilfreich finden. Das heißt aber eben nicht, dass sie gezwungen sind, auf eine bestimmte Art zu sprechen. Es heißt nur, Räume zu markieren, in denen das erlaubt ist.

Mit einem Fokus auf die Freiwilligkeit zu gendern?

Ja, damit Vielfalt in der Sprache nicht verboten wird. Meiner Erfahrung nach wird Menschen, die für Vielfalt werben, oft unterstellt, dass sie alles Mögliche verbieten wollen. Tatsache ist aber, dass die Verbotsforderungen von anderen Seiten kommen, die sich gegen inklusive Sprache stellen. Das von der Anti-Gender-Initiative geforderte Verbot gendersensibler Sprache in der Hamburgischen Verwaltung richtet sich gegen ein vermeintliches Gebot, das es so gar nicht gibt.

Verstehen sich „die Mitgemeinten“ als aktive Gegenbewegung zu der Hamburger Volksinitiative gegen das Gendern?

Wir haben es durchaus aus politischem Anlass für vorteilhaft gehalten, uns zusammentun und zu zeigen, dass viele Menschen in Hamburg das Gendern gut finden. Wir definieren unser Bündnis als grundlegend positiv. Nicht gegen etwas oder jemanden, sondern für die Vielfalt in der Sprache.

Klingt, als würden Sie bewusst Abstand halten von einem Feindbild und dem dazugehörigen Kulturkampf.

Wir glauben, dass der Kulturkampf, wie Sie ihn nennen, einfach nicht zielführend ist. Und dass es uns als Gesellschaft voranbringt, wenn wir Vielfalt auch in unserer Sprache zulassen.

Empfinden Sie die Anti-Gender-Bewegung Hamburgs als gefährlich für den offenen Diskurs?

Ich erlebe, dass das Thema durchaus von antidemokratischen Kräften benutzt wird. Dass diese Debatten auch benutzt werden, um von tatsächlichen Dingen, die politischer Handlung bedürfen, abzulenken. Gerade im Kontext von Vielfalt in der Gesellschaft könnte man so viel tun, statt ständig über gendersensible Sprache zu diskutieren. Unserer Wahrnehmung nach ist der Hamburger Diskurs sehr von den Geg­ne­r:in­nen des Genderns bestimmt. Die vielen Stimmen für eine inklusive Sprache sind so noch nicht sichtbar genug.

Ist das ein Nährboden für rechte Politik?

Ich will nicht alle Menschen, die gegen gendersensible Sprache sind, über einen Kamm scheren. Gleichzeitig kann das für Stimmungsmache genutzt werden: Wir merken immer wieder, dass antifeministische Stimmungsmache ein Einfallstor für weitere rechte Politik ist. Deshalb ist es wichtig, uns sprachliche Vielfalt nicht verbieten zu lassen. Ich halte ein solches Sprachverbot für rückständig. Es gibt bei antifeministischer Stimmung das Risiko, dass sie als Scharnier für weiteren Rechtspopulismus wirkt. Das ist kein vages Gefühl von mir, sondern in Studien so belegt.

42, Beraterin, ist seit 2021 Mitglied im Vorstand des Landesfrauenrates Hamburg. In dieser Funktion gibt sie auch Vorträge zu Sinn und Möglichkeiten gendersensibler Sprache. Sie ist seit der Gründung im Bündnis „Die Mitgemeinten“ aktiv.

Sie planen eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, die den Slogan „hier darfst du gendern“ bewirbt, in Institutionen, Vereinen, Läden. Auf Bierdeckeln, Werbetafeln oder Stickern. Das wirkt eher kommerziell als aktivistisch. Mehr Werbung als Demonstration.

Uns geht es einmal darum, über das Thema aufzuklären. Auf der Website, die bald online geht, wollen wir Menschen erreichen, die sagen: „Ich finde gendersensible Sprache gut, aber mir fehlen in Diskussionen die Argumente.“ Wir unterstützen, indem wir Argumente anbieten. Aber wir planen auch, in die Öffentlichkeit zu gehen, wo von Geg­ne­r:in­nen mit sehr platten Aussagen Stimmung gemacht wird; hier eine einfache positive Botschaft daneben zustellen, nicht dagegenzustellen. Und doch, wir wollen auch aktivistisch arbeiten und uns weiter an Demonstrationen beteiligen. Wir als „Mitgemeinte“ haben bisher eine Demonstration rund um die Anhörung vor dem Gleichstellungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft vor zwei Wochen organisiert.

Ist es anstrengend, strategische Positivität aufrechtzuerhalten und sie der ständigen Negativität entgegenzustellen?

Manchmal ist es natürlich anstrengend, wir erfahren auch jetzt schon viel Hass im Netz. Ein einziger Post reichte aus dafür. Aber wir kommen damit klar, dafür haben wir einander. Wir haben auch innerhalb des Bündnisses eine Vielfalt an Meinungen. Demokratie ist eben anstrengend, aber das halten wir gut aus.

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