Festnahmen nach Anschlag auf Linke-Büro: Rechtes Pärchen in Haft

Wegen eines Sprengstoffanschlags auf ein Büro der Linken in Oberhausen 2022 sind zwei Tätverdächtige festgenommen worden. Es sollen Rechtsextreme sein.

Das geschlossene Parteibüro der Linken in Oberhausen.

Geschlossen: Linken-Büro in Oberhausen nach dem Anschlag im Juli 2022 Foto: Gerd Wallhorn/imago

OBERHAUSEN taz | Mehr als eineinhalb Jahre nach dem Sprengstoffanschlag auf das Parteibüro der Linken in Oberhausen und trotz zwischenzeitlicher Einstellung der Ermittlungen sind mittlerweile zwei Tatverdächtige festgenommen worden. Die Frau und der Mann sitzen seit Dienstag in Untersuchungshaft.

Bei den beiden bereits am Dienstag festgenommenen Personen soll es sich einem Bericht der WAZ vom Mittwoch zufolge um Oberhausener Rechtsextreme handeln. Sie könnten überdies Verbindungen zur Reichsbürgerszene haben, so die Ruhrgebietszeitung. Die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg wollte diese Angaben am Donnerstag auf Nachfrage allerdings weder bestätigen noch dementieren.

In einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem Polizeipräsidium Essen teilte die Behörde nur mit, dass es sich bei den Tatverdächtigen um eine 32 Jahre alte Frau und einen 49 Jahre alten Mann handelt. Unter anderem wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion habe das Amtsgericht Oberhausen gegen sie Untersuchungshaftbefehle erlassen. Die Ermittlungen dauerten an.

Der Anschlag auf das „Linke Zentrum“, die Geschäftsstelle der Linkspartei in Oberhausen, am 5. Juli 2022 hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Das Büro war durch die Wucht der Detonation völlig zerstört worden. Verletzt wurde bei dem nächtlichen Anschlag niemand. „Scheiben wurden bis hin zu den gegenüberliegenden Geschäften zerstört“, schrieb damals die Parteivorsitzende Janine Wissler in einer Mitteilung. Der Sprengstoffanschlag sei eine „völlig neue Dimension von Angriffen gegen unsere Büros, hier werden Menschenleben gefährdet“.

Aufgrund der Wucht der Explosion entstand ein erheblicher Sachschaden an dem Gebäude sowie an angrenzenden Nebengebäuden. Ein gegenüberliegendes Reisebüro sowie ein Friseurgeschäft wurden ebenfalls durch die Detonation beschädigt. Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden. In der Vergangenheit hatte es laut der Partei bereits wiederholt Aufkleber-Attacken und Drohbriefe aus dem Neonazispektrum gegen die Partei und ihre Räume gegeben.

Rechtsextremes Motiv

Für die Linke stand damals schon fest: Der Anschlag muss einen rechtsextremen Hintergrund haben. Yusuf Karacelik, Vorsitzender der Fraktion „Die Linke.Liste Oberhausen“, erklärte seinerzeit: „Wir gehen von einem gezielten Anschlag von rechts aus. Selbstverständlich setzen wir unser Engagement für eine vielfältige solidarische Gesellschaft und gegen jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung fort.“

Sowohl für den Staatsschutz, der immer in solchen Fällen eingeschaltet wird und Ermittlungen aufnehmen muss, als auch für das Landeskriminalamt in Düsseldorf waren die Drahtzieher lange nicht auszumachen. Die Ermittlungen zogen sich; eine Aufklärung rückte in weite Ferne. Ein Jahr nach dem Sprengstoffanschlag, im Sommer 2023, teilte die Staatsanwaltschaft Duisburg schließlich mit, dass sie die Ermittlungen eingestellt habe.

Verständlicherweise kritisierte die Oberhausener Linke damals heftig die Einstellung der Ermittlungen. Doch nun könnte der Polizei doch noch der Durchbruch gelungen sein. Im Rahmen von Ermittlungen in einem anderen Verfahren hätten sich neue Hinweise auf eine Tatbeteiligung der beiden jetzt Festgenommenen ergeben, teilten die Staatsanwaltschaft und das Essener Polizeipräsidium mit. Ein Zufallserfolg also.

Endlich Tatverdächtige ermittelt

Nur wenige hundert Meter vom Tatort an der Elsässer Straße in der Innenstadt der Ruhrgebietsstadt entfernt hat die Polizei am vergangenen Dienstag die Wohnung der beiden Festgenommenen durchsucht. Die Durchsuchung soll mehr als zehn Stunden gedauert haben. Auch Kräfte auswärtiger Hundertschaften seien unterstützend eingesetzt worden. Dabei hätten sich die Hinweise auf eine Tatbeteiligung des Paares verdichtet, so die Ermittlungsbehörden.

„Wir sehen uns bestätigt, denn wir sind immer von einem rechtsextrem motivierten Anschlag ausgegangen“, sagt Yusuf Karacelik am Donnerstag der taz. Er begrüße, dass endlich Tatverdächtige ermittelt worden seien. Wenn sich der Tatverdacht erhärte und Anklage erhoben würde, wolle die Linke zivilrechtliche Ansprüche gegen die beiden mutmaßlichen Täter prüfen. „Uns ist ein großer Schaden entstanden“, so Karacelik.

„Dass es sich bei dem Anschlag um Rechtsterrorismus handelt, müssen nun endlich auch die Behörden anerkennen“, kommentierte Linken-Parteivorsitzende Martin Schirdewan am Freitag den Zufallsfahndungserfolg. „Es ist ein Skandal, dass die Ermittlungen damals eingestellt wurden und kein größeres Interesse an der Aufklärung bestand“, so Schirdewan. „Und das, obwohl die Geschäftsstelle immer wieder Angriffen von Neonazis ausgesetzt war.“

Der Linken-Kreisverband hat inzwischen ein neues Büro bezogen. Der neue „Paroli Treff“ ist weiterhin an der Elsässer Straße beheimatet, nur wenige Schritte vom alten Zentrum entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er dient der Kreispartei, der Ratsfraktion und der Linksjugend als Anlaufstelle, ebenso trifft sich hier die örtliche Linksjugend, der Rosa-Luxemburg-Club und die Rote Hilfe. Es ist ebenso das Bürgerbüro der Bundestagsabgeordneten Kath­rin Vogler. „Wir lassen uns auch weiterhin nicht einschüchtern“, sagte Vogler der taz.

Update am 9. Februar 2024

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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