Nazi-Porträts auf Oldenburger Wandbild: Zu viel der Ehre

Ein Wandgemälde soll seit dem Herbst bedeutende Oldenburgerinnen würdigen. Aber mindestens zwei der Frauen waren Nazis.

Porträts auf einem Wandgemälde, auf dem Foto drei sind nachträglich am Computer übermalt worden

So könnte es aussehen, wenn auf dem Wandgemälde die Porträts von Emma Ritter, Edith Ruß (links) und Erna Schlüter übermalt werden Foto: Präventionsrat Oldenburg, Übermalung taz

OLDENBURG taz | Die Geschichte von Frauen ist auch heute noch weitgehend unsichtbar. Ein Oldenburger Bündnis hat sich des Problems angenommen und ein 40 Meter breites Wandgemälde in Auftrag gegeben, das zehn bedeutende Oldenburgerinnen zeigt – eigentlich eine gute Idee. Sie sollen Vorbilder für Gleichberechtigung und Emanzipation sein. Das Projekt wurde von verschiedenen Unternehmen und Vereinen, der Stadt sowie der niedersächsischen Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) finanziert. Das Problem: Mindestens zwei der Frauen waren Nazis.

Neben Sara-Ruth Schumann, der ehemaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Oldenburg, sieht man unter der Autobahnbrücke im Stadtteil Wechloy die Gesichter von Edith Ruß, Erna Schlüter und Emma Ritter.

Ruß war zwischen 1943 und 1945 Propagandistin für die Oldenburger NSDAP-Zeitung, rief zum Heldentod an der Front auf und war Verfechterin von „Volk und Vaterland“. Daneben war sie krasse Sexistin, was ihre Ehrung besonders skurril macht.

Ruß ist Stifterin des städtischen Edith-Russ-Hauses, das bestens über die Vergangenheit seiner Namensgeberin Bescheid weiß. Schon vor fast 25 Jahren hat die Galerie eine Biografie herausgegeben, die Ruß’ Tätigkeit bei dem NS-Blatt thematisiert, aber einige Lücken aufweist. Auf der Internetseite des Edith-Russ-Hauses fehlte bislang jeder Hinweis auf Ruß’ NS-Karriere. Nach taz-Veröffentlichungen hat die Stadt ein unabhängiges Gutachten zu Ruß’ Rolle im Nationalsozialismus angekündigt.

Schlüter stand auf Goebbels' „Gottbegnadeten-Liste“

Die Opernsängerin Schlüter sang zu Ehren Hitlers, Goebbels’ und der „Machtergreifung“, wurde von Hitler persönlich zur Kammersängerin ernannt und stand auf der „Gottbegnadeten-Liste“ des Propagandaministeriums. Ein Foyer im Oldenburgischen Staatsheater, eine Stiftung sowie ein Preis für Nach­wuchs­sän­ge­r*in­nen tragen ihren Namen.

Die Erna-Schlueter-Operngesellschaft, mit der das Staatstheater eng zusammenarbeitet, pflegt ihr Andenken. Schlüters NS-Karriere ist seit Jahren bekannt. Trotzdem verschweigen auch das Staatstheater und die Operngesellschaft auf ihren Internetseiten ihre Vergangenheit. Auf taz-Anfrage erklärt die Operngesellschaft, Schlüter sei „unpolitisch“ gewesen.

Die Künstlerin Emma Ritter ist umstritten. Sie durfte ihre Werke noch im Kriegsjahr 1942 ausstellen.

Der Präventionsrat Oldenburg hat das Projekt koordiniert. Dessen Geschäftsführerin Melanie Blinzler erklärt: „Da fällt uns auf die Füße dass wir seit Langem zu wenig Frauenforschung haben. Unser Kenntnisstand schien uns ausreichend für die Aufnahme der Frauen in das Wandbild. Jetzt sehen wir, dass das nicht so ist. Wir werden uns um weitere Informationen kümmern und werden unsere Einordnung der Frauen prüfen.“ Landtagspräsidentin ­Naber begrüßt auf schriftliche Anfrage der taz die Auseinandersetzung mit den Biografien der Frauen, sagt aber auch, dass der Prozess Zeit brauche.

Aktion geplant

Auch die beauftragten Künstlerinnen erklären auf schriftliche Anfrage: „Hätten uns die heute bekannten Informationen vorgelegen, hätten wir den Auftrag in dieser Form abgelehnt.“ Sie setzen sich dafür ein, dass die betroffenen ­Porträts überstrichen werden.

Der Verein Institut für Verknüpfung e. V. hat den Kontakt zu den Künstlerinnen hergestellt. Ein Mitglied des Vorstands sagt: „Ich bin entsetzt. Wenn diese Personen in dieser Funktion tätig waren, gehören sie an keine Wand in Oldenburg. Man muss das Wandbild ändern und diese Personen werden von dieser Wand verschwinden.“ Deshalb plane man zusammen mit den Künstlerinnen eine zeitnahe Aktion.

Der Stadt sind die Nazis nicht aufgefallen, was beispielhaft für die Oldenburger Erinnerungskultur ist. Der völkische Antisemit Bernhard Winter ist Ehrenbürger der Stadt, Nazi-Dichter August Hinrichs wird weiter geehrt und auf eine Studie zu den Oldenburger Straßennamen vor über zehn Jahren, die unter anderem SA- und SS-Männer, Wehrwirtschaftsführer, NS-Ärzte und KZ-Unternehmer benannte, gab es aus der Politik keine Reaktion.

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