Reform des Klimaschutzgesetzes: Ein Schritt vor, zwei zurück

Gut, dass der Einbau privater Solaranlagen leichter werden wird. Die schlechte Nachricht ist, dass die Ampel das Klimaschutzgesetz aufweicht.

Eine Person montiert ein Solarpanel.

Mehr Photovoltaikanlagen für die Energiewende! So der Plan der Ampelkoalition Foto: Jochen Tack/imago

Erst haben die Ampelparteien über viele Monate darüber gestritten, jetzt geht es hopp, hopp: Am Montag verkündeten die Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP die Einigung über die Änderung des Klimaschutzgesetzes und des Solarpakets, bereits in der Woche darauf soll beides durch den Bundestag und den Bundesrat gepeitscht werden. Der Ampel ist wie etwa beim Heizungsgesetz wieder einmal nicht klar, dass interne Verhandlungen das übliche parlamentarische Prozedere keineswegs ersetzen.

Immerhin: Ein großer Wurf sind weite Teile des Solarpakets. Unzählige Privatleute und Unternehmen warten auf die Entbürokratisierung, um eine Photovoltaikanlage einfacher installieren und anschließen zu lassen. Das Aufstellen von Solaranlagen boomt, trotz der bisherigen Blockade. Bür­ge­r:in­nen aus allen politischen Lagern wollen Sonnenenergie viel stärker nutzen, nachdem frühere Regierungen ihnen das schwer gemacht haben.

Fallen Hindernisse wie lange Genehmigungsverfahren weg, wird es einen großen Schub geben, die Energiewende wird sich beschleunigen. Auf Dächern, über Supermarktparkplätzen und an vielen anderen Orten wird das bald zu sehen sein. Mie­te­r:in­nen eines Hauses können sich unkompliziert eine gemeinsame Anlage teilen. Das wird billiger, weil Vorgaben für teure Technik entfallen. Anmeldepflichten und Netzanschluss werden vereinfacht – und noch viel mehr.

Doch bei allem Jubel: Das Solarpaket hat auch ein großes Manko. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine schien es einen gesellschaftlichen Konsens zu geben, dass die Abhängigkeit von einem Land in Energiefragen fatal ist. Damit ist es vorbei. Diesmal geht es um China, das mit seinen Solaranlagen die europäischen Märkte flutet und einheimische Hersteller in Not bringt. Hiesige Solaranlagenhersteller mussten aufgrund falscher politischer Entscheidungen schon einmal aufgeben.

FDP lenkt – in die falsche Richtung

In Angesicht des Nachfragebooms hatte sich gerade eine kleine Renaissance abgezeichnet – die jetzt enden wird. Die wenigen in Deutschland produzierenden Unternehmen haben auf ein Zeichen aus der Politik gewartet, dass ihnen im Wettbewerb mit den subventionierten chinesischen Produkten geholfen wird. Das wäre nötig, um wenigstens das Know-how in Europa zu halten und im Bedarfsfall die Produktion rasch hochfahren zu können. Doch die FDP hat sich durchgesetzt, das Solarpaket sieht keine Hilfen vor.

Die Freidemokraten finden, dass Solaranlagen für Deutschland auch gut woanders eingekauft werden können. Bei dieser Absage darf es aber nicht bleiben – zumal die Komponenten für Windräder ebenfalls importiert werden, zu großen Teilen aus China. Es ist kaum zu glauben: Die Bundesrepublik, das viertgrößte Industrieland der Welt, steht in einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Zukunft – dem Bau von Solar- und Windanlagen – blank da.

Daran nichts ändern zu wollen, ist eine industriepolitische Irrfahrt. Die FDP sitzt am Steuer und gibt die Richtung vor. Grüne und SPD müssen jetzt dafür sorgen, dass ein anderer Weg eingeschlagen wird. Die FDP hat die sinnvollen Teile des Solarpakets als Pfand genutzt, um Druck in der Klimapolitik zu machen – auch hier für die falsche Seite. Die Ampel macht daher einen mächtigen Schritt rückwärts. Sie entledigt sich der unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2019 eingeführten Pflichten zum Klimaschutz.

Fatale Verrechnung der Emissionen

Diese Vorgaben sehen vor, dass in einzelnen Bereichen wie Verkehr, Gebäude, Energie oder Industrie der CO2-Ausstoß um bestimmte Mengen gesenkt werden muss. Bislang galt: Werden die Ziele nicht erreicht, muss nachgesteuert werden. Damit ist jetzt Schluss. Die Emissionen der verschiedenen Bereiche werden künftig untereinander verrechnet. Diese Aufweichung ist ein Geschenk an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der keine Anstalten macht, etwas für die Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr zu unternehmen.

Die Reduzierung der Emissionen wäre durchaus erreichbar, etwa mit einem Tempolimit, günstigeren Bahnpreisen oder über partielle Fahreinschränkungen für besonders emissionsintensive Autos. Jetzt entfällt der Druck auf Wissing, wenigstens ein bisschen Fantasie zu entwickeln und sich überhaupt um die Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr zu kümmern. Klimaaktivist:innen, Um­welt­verbände und Wis­sen­schaft­le­r:in­nen sind darüber empört.

Sie fürchten, dass sich die Bundesregierung mit der Aufweichung der bisherigen Regeln einen Freibrief verschafft, um in dieser Legislaturperiode keine großen Klimaschutzprojekte mehr angehen zu müssen. Diese Furcht ist berechtigt. Mit der Verschleppungspolitik der Bundesregierung wird das Erreichen der Klimaziele bis 2030 immer unwahrscheinlicher.

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