Aufarbeitung rechtsextremen Terrors: NSU-Projekte sollen Geld kriegen

Die Ampel plant ein NSU-Dokumentationszentrum und Rechtsterror-Archiv, bisher fehlte aber Geld. Das soll es nun doch geben, trotz Haushaltssperre.

Zehn undatierte Portraitfotos der NSU-Opfer.

Für das Zentrum zum Gedenken an die Opfer des NSU soll es Geld geben Foto: dpa

BERLIN taz | Die Ansage der Ampel im Koalitionsvertrag war klar: Man werde die NSU-Aufklärung „energisch vorantreiben“. Versprochen wurden ein NSU-Dokumentationszentrum und ein Rechtsterror-Archiv. Nur: Für beides planten die zuständigen Ministerien zuletzt keine Gelder ein. Nun besserten die Ampelfraktionen nach und stellten für die Projekte doch noch Posten in den Haushalt ein – die auch trotz Haushaltssperre Bestand haben sollen.

So soll das geplante Rechtsterror-Archiv im kommenden Jahr mit 1,8 Millionen Euro finanziert werden. Zuständig dafür ist die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur, Claudia Roth (Grüne), die das Archiv digital einrichten will. Bis November 2024 soll es an den Start gehen. Mit dem Geld sollen laut ihrem Haus die technische Infrastruktur bereitgestellt sowie Akten gesichert und digitalisiert werden, die sich in staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Hand befinden.

Auch für das NSU-Dokumentationszentrum soll es nun 500.000 Euro im kommenden Jahr geben. Das zuständige Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) ließ hierfür zuletzt Gutachten von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erarbeiten. Der Ort und die Ausgestaltung des Zentrums sind jedoch weiterhin offen. Eine Machbarkeitsstudie soll nun bis Ende Februar 2024 vorliegen.

Weder das Innenministerium noch die Kulturbeauftragte Roth hatten die Gelder ursprünglich für den Haushalt 2024 vorgesehen. Mit den aktuellen Projektständen seien die Kosten noch nicht bezifferbar, wurde dort erklärt. Initiativen, die sich an den Projekten beteiligen sollen, hatten dagegen feste Finanzzusagen und mehr Tempo eingefordert.

„Keine Randnotiz“

In der jüngsten Haushaltsbereinigungssitzung des Bundestags stellten die Ampel-Fraktionen die Gelder nun doch ein. „Die Aufarbeitung rechtsextremer Verbrechen und ihrer gesellschaftlichen Umstände ist keine Randnotiz“, sagte die Grünen-Abgeordnete Misbah Khan, die mitverhandelte, der taz. „Sie ist der zentrale Ansatzpunkt, um rechte Gewalt heute zu bekämpfen und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen.“ Mit den Haushaltsmitteln setze man ein Zeichen: 12 Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU werde die Aufarbeitung des Terrors „weiter institutionalisiert“.

Die inzwischen verhängte Haushaltssperre soll die Projekte nicht tangieren, hieß es am Dienstag aus der Ampel. Aktuelle Staatsausgaben seien nicht betroffen, nur langjährige Verpflichtungsermächtigungen. Geplant ist, die Haushaltsberatung am Donnerstag formal abzuschließen und am 1. Dezember im Bundestag zu verabschieden.

Die Grünen-Abgeordnete Khan fordert, dass es dabei bleibt und der Kampf gegen Rechtsextremismus und die ohnehin belastete organisierte Zivilgesellschaft „nicht zum oppositionspolitischen Spielball wird“. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) müssten schnell für Planungssicherheit sorgen.

Bis zur Realisierung wird es noch dauern

Gerade der Weg zum NSU-Dokumentationszentrum ist jedoch noch weit. So legte Sachsen bereits eine Machbarkeitsstudie für ein Zentrum in Chemnitz und Zwickau vor, wo der NSU jahrelang untergetaucht war. Die Familien der NSU-Opfer machten indes zuletzt bei einem Treffen mit der Bundeszentrale für Politische Bildung klar, dass beide Orte für sie „Täterstädte“ seien und sie für das Zentrum zentrale Metropolen wie Berlin oder München präferierten.

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ um die Thüringer Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt war 1998 abgetaucht und hatte von 2000 bis 2007 zehn Menschen ermordet und mit drei Anschlägen gut 30 Menschen verletzt. 2011 hatten sich Mundlos und Böhnhardt nach einem gescheiterten Banküberfall erschossen und Zschäpe die Bekennerschreiben verschickt, mit denen sich die Gruppe selbst enttarnte.

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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