Autokratie in Ungarn und Serbien: Was läuft da falsch?

Während in anderen Ländern Osteuropas Wandel möglich ist, scheint er in Ungarn und Serbien ausgeschlossen. Das liegt am Umgang mit der Geschichte.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic inmitten von kleinen Nationalfähnchen

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic während des Wahlkampfs in Belgrad, 2.12.2023 Foto: Marko Djurica/reuters

Mehrere (süd-)osteuropäische Staaten erlebten autoritäre Regime in ihrer jüngeren Geschichte: Franjo Tudjman in Kroatien, Ion Iliescu in Rumänien oder Vladimir Mečiar in der Slowakei. Sie erwiesen sich aber als kurze Phänomene. In zwei Ländern scheint der autoritäre Weg dagegen kein Ende zu nehmen: Ungarn und Serbien. Wie lässt sich erklären, dass ein demokratischer Machtwechsel in Slowenien oder Polen möglich ist, in Ungarn und Serbien aber immer wieder scheitert?

Ein großer Unterschied zwischen diesen Ländern und den anderen der Region besteht darin, dass sich dort ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung als „Verlierer der Geschichte“ sieht und dafür „den Westen“ verantwortlich macht. Dabei werden historische Traumata tagespolitisch mobilisiert: In Ungarn wird der Gebietsverlust nach dem Ersten Weltkrieg revisionistisch erinnert, in Serbien wird die Unabhängigkeit vom Kosovo nicht akzeptiert. Teile der ungarischen und serbischen Rechten waren auch historisch gesehen immer antiwestlich orientiert: In Ungarn wird beispielsweise die angeblich türkische Abstammung der Magyaren kontrafaktisch als Ideologie für eine Abkehr vom „Westen“ herangezogen. Diese Orientierung lässt sich auch in der Budapester Außenpolitik erkennen.

Das weitverbreitete Gefühl, vom „Westen“ verraten zu werden, fördert ein antiwestliches nationalistisches Klima in diesen Ländern, auch in der Opposition. Für fast alle serbischen Oppositionsparteien ist die Anerkennung des Kosovos als unabhängiger Staat ein Tabu. In Ungarn betrachten die meisten Oppositionsparteien die „Auslandsungarn“ im völkischen Sinne als Teil der „ungarischen Nation“. Völkische Ideen über das Wesen des „Magyarentums“ oder des „Serbentums“ gehören zum Mainstream der ungarischen und serbischen Öffentlichkeit.

Solange die historischen Frustrationen in Ungarn, Serbien oder auch Russland nicht selbstkritisch bewältigt werden, wird auch ein politischer Machtwechsel in diesen Ländern keine grundlegende Veränderung anstoßen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist promovierter Jurist und Historiker, wissenschaft­licher Mitarbeiter am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa in Wien.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.