Bewegungstermine in Berlin: Jetzt bloß zusammenhalten!

Trotz Differenzen müssen Linke gegen die Angriffe auf die Letzte Generation Einheit zeigen. Gedacht wird kommende Woche auch Opfern rechter Gewalt.

Mitglieder der Klimaschutzgruppe letzte generation haben das Brandenburger Tor in Berlin mit oranger Farbe angesprüht.

Bringt ein bisschen Farbe die Menschen echt gegen den Klimawandel auf? Foto: Paul Zinken / dpa

Die Letzte Generation (LG) ist mit einem großen Knall in die Hauptstadt zurückgekehrt. Am Montagmorgen hat die Gruppe gleich 39 Verkehrsadern unterbrochen, am Tag zuvor das Brandenburger Tor in orangener Farbe angesprüht. Die LG will den Herbst zu einem „sozialen Wendepunkt“ machen und notfalls bis Weihnachten Straßen blockieren, um für das neue Ziel, Klimaneutralität bis 2030, zu streiten. Die Zeit, lediglich ein paar Reformen zu fordern, ist für die LG offenbar vorbei.

Am Donnerstag (21. 9., 19 Uhr) wird die LG im Syndikat erneut ihr Protestkonzept vorstellen. Über dieses wird mal wieder auch in der Klimabewegung gestritten: Unterstützen die Aktionsformen der LG mit ihrem Fokus auf den fossilen Alltag normaler Leute möglicherweise reaktionäre Radikalisierungsprozesse und Klimawandelleugnung? Fridays for Future war bereits in der Vergangenheit öfter vorgeprescht und hatte der LG vorgeworfen, Mehrheiten für den Klimaschutz zu gefährden.

Dass die Klimakrise aber ein kapitalistisches Geschäftsmodell ist, das wiederum wird von den Fridays chronisch unterbewertet – was schade ist, könnte hier doch eine Erklärung dafür liegen, warum es auch keinen effektiven Klimaschutz gab, als freitags noch die Massen auf die Straßen gingen. Anders formuliert: Die LG hat verstanden, dass man disruptiv sein muss, Fridays for Future dagegen, dass Mehrheiten wichtig sind – um aber wirklich Veränderungen durchzusetzen, braucht es beides.

„Für radikale Umverteilung – überall!“

Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Aber einige Teile der Klimabewegung arbeiten durchaus daran, mehr Aufmerksamkeit für vermittelbare radikale Ziele zu schaffen. Ak­ti­vis­t:in­nen von Ende Gelände werden sich am kommenden Wochenende in einer Großaktion auf Rügen wieder mit ihren Körpern gegen die neokoloniale Gewalt stellen, die dort durch den Bau eines riesigen Terminals für den Import von extrem klimaschädlichen Flüssiggas (LNG) zementiert wird.

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In Berlin versucht die Gruppe AktivAbfahren am Mittwoch (20. 9.), jene Profiteure der Klimakrise sichtbar zu machen, denen es bisher erstaunlich gut gelungen ist, unerkannt zu bleiben. Start der Fahrraddemo unter dem Motto „Schon 1,5 Grad sind zu viel! Für radikale Umverteilung – überall!“ ist um 15 Uhr beim Sitz der Deutschen Autobahn AG (Heidestr. 15), weitere Stopps sind bei Bayer/Monsanto, dem Haus der Wirtschaft, dem Thales Konzern und dem Wirtschaftsministerium geplant.

Gedenken an Eugeniu Botnari und Luke Holland

Klar ist in jedem Fall: Angesichts der massiven Gewalt, der die LG durch freidrehende Autofahrer und augenscheinlich völlig unnötige Polizeischmerzgriffe ausgesetzt ist, muss die Klimabewegung zusammenhalten. Und nicht nur die Klimabewegung. Der Kampf gegen rechte Gewalt ist bekanntlich Sache der gesamten politischen Linken. Kommende Woche gilt es deshalb auch, gleich mehreren Opfern rassistischer Anschläge zu gedenken.

Am Mittwoch (20. 9.) findet um 18 Uhr ein Stilles Gedenken an Eugeniu Botnari statt. Am 20. September 2016 starb Botnari an den Folgen der brutalen Schläge von André S., dem damaligen Leiters der Edeka-Filliale im Bahnhof Lichtenberg. S. hatte Botnari, vom Hass gegen Arme und Ausländer getrieben, im Getränkelager immer wieder ins Gesicht geschlagen – weil er Botnari eines läppischen Ladendiebstahls verdächtigte.

Für seine Schläge hatte sich S. extra einen Quarzhandschuh angezogen. Hinterher verschickte er Überwachungsaufnahmen mit menschenverachtenden Kommentaren an seine Mitarbeiter:innen. Dennoch stritten rechte Parteien und Medien lange ab, dass es sich bei Botnari um ein Opfer rechter Gewalt handelt. Die Antifaschistische Vernetzung Lichtenberg musste lange kämpfen, doch inzwischen wurde der Bahnhofsvorplatz nach Botnari benannt, ein antirassistisches Wandgemälde ist enthüllt, auch eine Gedenktafel soll geplant sein.

Wie weit verbreitet rechte Gewalt ist, davon zeugt, dass am selben Tag (20. 9.) nur eine Stunde (17 Uhr) zuvor noch einem weiteren Opfer neonazistischer Gewalt gedacht werden muss. Vor 8 Jahren wurde Luke Holland an der Ecke Ringbahnstraße / Walterstraße in Neukölln vom Neonazi Rolf Z. ermordet. Auch bei Z. wurde ein rechtes Tatmotiv vom Gericht nicht anerkannt – obwohl seine Wohnung voller Waffen samt Munition sowie Nazi-Devotionalien war.

Faschismus bekämpfen, überall

Der Täter Z. war zudem zwischenzeitlich auch ein Tatverdächtiger im weiterhin ungeklärten Mordfall Burak Bektaş, von der Polizei zur Vernehmung vorgeladen wurde Z. jedoch nie. Um über die beiden Mordfälle und über den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur rechten Anschlagsserie „Neukölln Komplex“ zu informieren, veranstaltet das Bündnis Neukölln und die Soliinitiative Burak Bektaş nach dem Gedenken eine Veranstaltung um 19 Uhr in der „Werkstadt“ (Emser Str. 124).

Um der rechten Gewalt der Gegenwart entgegenzutreten, findet am Samstag (23. 9., 13 Uhr) wieder die „Reclaim Your Kiez“-Demo in Köpenick statt. Denn Köpenick ist z.B. für queere Menschen oder BIPoC kein sicherer Ort. Neonazi-Parteien wie der 3. Weg oder Die Heimat (ehem. NPD) treiben hier ihr Unwesen.

Uffmucken Schöneweide ruft deshalb dazu auf, solidarisch auf der Straße zu zeigen, „dass FaschistInnen und jede Form von Diskriminierung keinen Platz in unserem Kiez haben“ (23. 9., 13 Uhr, S-Bahn Spindlersfeld). Thematisch passend findet in der Zwille am Samstag (23. 9., 18 Uhr) ein Soli-Konzert für inhaftierte Antifas statt.

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