Blind Guardian auf Jubiläumstour: Herz an Herz mit Sauron

Die Metal-Band Blind Guardian sind mit einer 30 Jahre alten Platte auf Tour. Und das ist alles ganz zauberhaft, auch wenn Überraschungen ausbleiben.

Bandfoto

Metal-Klischees bleiben zumindest äußerlich überschaubar: Blind Guardian beim Promoshooting Foto: Hans-Martin Issler/promo

Blind Guardian benötigen eine Zeile Text – nur vier Worte – um ihr raubeiniges Metal-Publikum in herzverschmerzter Glückseligkeit dahinschmelzen zu lassen. Und natürlich ist es ein Gänsehautmoment, wenn Hunderte Kehlen den gar nicht mal kurzen, gar nicht mal wortarmen und übrigens auch melodisch gar nicht mal anspruchslosen „Bard’s Song“ alleine intonieren, während das Bühnenpersonal das Mikro grinsend baumeln lässt. Am wohligen Schauer ändert auch das Kalkulierte dieser Publikumsbeteiligung nichts, nur weil das jedes Mal klappt und Sänger Hansi Kürsch auch keinen Hehl draus: Ihr habt drauf gewartet, wir haben drauf gewartet und gleich wird’s wieder bombastisch.

Wobei die aktuelle Tour der Krefelder noch ein bisschen mehr als üblich an Tradition und Nostalgie appelliert. Immerhin ist das Programm um eine ziemlich alte Platte gestrickt: die „Somewhere far beyond“ nämlich, die vor 30 Jahren erschien und zwar weder die erste noch die beste der Band ist – ganz bestimmt aber die atmosphärischste.

Die Jubiläumstour ist vielerorts ausverkauft, den Osnabrücker Hyde Park macht sie gleich zwei Abende hintereinander knackig voll. Metal ist hier noch wichtig: In der kleinen Großstadt grundsätzlich mehr als in der Metropole – und in Osnabrück nochmal ganz besonders. Von wegen Nostalgie und Geschichten von früher: Auch die Ansagen von der Bühne erinnern an alte Zeiten, als vorm Hyde Park mal der Bus versagte und man sich eine ungeheizte Nacht mit mutmaßlich ungekühltem Wodka um Ohren schlagen musste. Noch etwas persönlicher gerät der Abschied von Booker Carlo Korte („Ashes to Ashes“), der seine beiden Hyde-Park-Konzerte nicht mehr erleben durfte.

Blind Guardian waren stilbildend für das, was man inhaltlich als „Fantasymetal“ klammern könnte und für das man sich musikalisch irgendwann auf die Marke „Progressive Power Metal“ geeinigt hat: Schnelle Gitarren jedenfalls, die sich über die Jahre zu immer dichteren Bombastkompositionen verdichtet haben – plus ein paar Balladen wie eben der unvermeidliche „Bard’s Song“.

Auffällig abwesend bleiben die Metalklischees: Hansi Kürsch hat schon lange die Haare kurz, verzichtet auf Bandshirts wie aufs Kasperletheater. Zum Einstand wünscht er “einen wunderschönen Abend, liebe Freunde“, später lobt er das Mitsingen („Weltspitzenklasse“) und überhaupt: den Einsatz seiner sichtlich gut gelaunten Fans, die sich hier zu Elfen, Zwergen und Replikanten träumen.

Was übrigens auch seinen Teil zur nostalgischen Grundstimmung beitragen dürfte: Als Blind Guardian anfingen, sich quer durch Tolkiens Geschichten zu singen, war das noch Stoff exklusiv für Nerds, Hippies und eben Metalmenschen. „Der Herr der Ringe“ galt als definitiv unverfilmbar und die heute quartalsweise ausgerotzten Fantasyblockbuster – die gab’s einfach gar nicht.

Also ja: Blind Guardian hält, was der 30. Plattengeburtstag verspricht. Überraschungen gibt’s auch sonst keine – aber es macht auch wirklich nicht den Anschein, als hätte die hier irgendjemand vermisst.

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Jahrgang 1982, schreibt aus dem Bremer Hinterland über Kultur und Gesellschaft mit Schwerpunkten auf Theater, Pop & schlechter Laune.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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