CDU beendet Schwarz-Grün in Hessen: Rhein schmeißt Grüne raus

Ministerpräsident Rhein (CDU) setzt auf die SPD als Juniorpartner. Der Grund: Große Schnittmengen bei den Themen Sicherheitspolitik und Migration.

Tarek Al-Wazir von den Grünen (links) und Boris Rhein, CDU

Tarek Al-Wazir von den Grünen (links) und eine typische Handbewegung von Boris Rhein (rechts) Foto: Arne Dedert/dpa

BERLIN/WIESBADEN taz | Auch wenn er von der „emotional schwierigsten Entscheidung“ seiner Amtszeit sprach, wirkte der hessische CDU-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Boris Rhein, an diesem Freitag aufgeräumt und mit sich im Reinen, als er im Mediensaal des Hessischen Landtag das Ende der Regierungskoalition mit den Grünen bekannt gab. Er fand sogar noch lobende Worte für den neuen Saal, bevor er den einstimmig gefassten Beschluss der CDU-Landesgremien vom Vormittag bekannt gab.

Bereits am Dienstag kommender Woche wollen CDU und SPD Koalitionsverhandlungen aufnehmen. In einer Zeit der „multiplen Krisen“ sei eine Regierungskoalition aus der Mitte des Landes die beste Lösung, sagte Rhein und hob die kommunale Verankerung von CDU und SPD hervor. Den hessischen Grünen dankte der Ministerpräsident für „zehn gute Jahre“, in denen CDU und Grüne in einer vertrauensvollen und verlässlichen Zusammenarbeit viel für das Land erreicht hätten.

Seine Entscheidung für die SPD sei keine gegen die Grünen, so Rhein. Ausschlaggebend seien größere Schnittmengen zwischen Union und SPD in der Sicherheitspolitik und beim Thema Migration gewesen. Doch bei den Leitlinien für die künftige Landesregierung, die er als „erste christlich soziale Koalition in Hessen seit 70 Jahren“ bezeichnete, klang die Abgrenzung gegen den bisherigen grünen Partner deutlich an. „Die Menschen wollen nicht bevormundet werden“ sagte Rhein und versprach eine „sanfte Erneuerung mit und nicht gegen die Menschen“.

Hessen werde nach der Konstituierung des neuen Landtags am 18. Januar von einer Koalition des sozialen Zusammenhalts regiert, die auf Anreize statt auf Verbote setze. Für die Zusammenarbeit mit der SPD habe er sich entschieden, nachdem er in den Sondierungen Belege für eine enorme Diskussionsfähigkeit aber auch für eine enorme Stabilität in der hessischen SPD gefunden habe, sagte der Ministerpräsident.

Hessen-Grüne enorm verärgert

Verärgert reagierten die Grünen Landesvorsitzenden Sigrid Erfurth und Sebastian Schaub zusammen mit dem Landtagsfaktionsvorsitzenden Mathias Wagner. „Die Entscheidung der CDU ist völlig unverständlich. Schwarz-grün hat Hessen in den vergangenen zehn Jahren erfolgreich, verlässlich und vertrauensvoll regiert“, erklärten sie und betonten: „Es gab bei der Landtagswahl keine Wechselstimmung. Auch für die kommenden fünf Jahre hätten wir uns auf ein ambitioniertes und innovatives Regierungsprogramm verständigen können“.

Die Entscheidung der CDU komme für die Grünen allerdings nicht überraschend: „Wer eine erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen will, der braucht keine fünf Wochen langen Sondierungsgespräche. Offensichtlich stand der Plan zum Wechsel schon lange fest. Es wäre angemessen gewesen, wenn die CDU das den Bürgerinnen und Bürgern auch schon vor der Wahl gesagt hätte“, so die die hessischen Grünen.

In der nächsten hessischen Landesregierung wird es wieder ein eigenständiges Landwirtschaftsministerium geben. Das habe er den vielen Landwirten versprochen, mit denen er im Wahlkampf zusammengekommen sei, sagte Rhein. Und dieses Ministerium werde auch für Jagd und Forsten zuständig sein. In den zehn schwarz-grün regierten Jahren waren diese Aufgaben von der grünen Umweltministerin Priska Hinz mitverwaltet worden. Sie hatte mit dem Vorrang für ökologische Vorgaben traditionell wirtschaftende Landwirte, Waldbesitzer und die Jägerschaft mehrfach gegen sich aufgebracht. Rhein versprach eine Kurskorrektur, ohne dazu Einzelheiten zu nennen.

Rhein kündigte Korrekturen auch in der Sicherheitspolitik und beim Thema Migration an. Asylbewerber würden in Hessen künftig nur bei einer Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden, sagte Rhein. Mit einer Bundesratsinitiative würde Hessen Integrationspflichten im Integrationsgesetz verankern wollen. Hessen werde auch für die Pflicht zur Vorratsspeicherung von IP-Adressen zur Verfolgung schwerer Kriminalität votieren, die in der Berliner Ampelregierung umstritten ist.

Erfolg für Nancy Faeser

Rhein betonte auch, Parteichef Friedrich Merz habe auf die Entscheidung in Hessen keinerlei Einfluss genommen. „Es ist kein Signal für Deutschland“, sagte Rhein und fügte hinzu: „Was der Bund macht, muss Friedrich Merz mit dem Bundeskanzler besprechen!“

Der kurzfristig angesetzte Auftritt der hessischen SPD-Vorsitzende und Innenministerin Nancy Faeser in die Berliner Parteizentrale war ein großes „Uff. Fast geschafft.“ Ursprünglich angetreten als zukünftige hessische Ministerpräsidentin, kann Faeser trotz des historisch schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Landtagswahl ihre Partei nach 25 Jahren Regierungsabstinenz wieder in die hessische Regierung, sprich in eine „Große“ Koalition führen.

Faeser begründete den Wunsch nach Koalitionsverhandlungen mit dem offensichtlich guten Arbeitsklima und der Übereinstimmung bei wichtigen Themen. „Es geht jetzt sehr um Stabilität und vor allem darum die Kommunen zu unterstützen.“ Auch sie spielte damit auf das Megathema Migration an, wo die hessische SPD viel weniger Bauchschmerzen als die Grünen hat, die von der CDU gewünschten Verschärfungen mitzutragen – von der Unterbringung von Asyl­be­wer­be­r:in­nen in Gemeinschaftsunterkünften bis zur Forderung Asylverfahren in Länder außerhalb der EU auszulagern.

Einig ist sich die SPD laut Faeser aber mit der CDU auch in der Frage, die hessische Polizei personell besser auszustatten und die Zahl der Kitaplätze und Wohnungen zu erhöhen. Der hessische SPD-Parteirat muss am Freitag Abend der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen noch zustimmen. Dass die GenossInnen das tun, gilt als sicher. Faeser ging an diesem Nachmittag jedenfalls von einer breiten Zustimmung aus.

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