DFB-Frauen-Team gegen Dänemark: Unschlagbares Urvertrauen

Die deutsche Elf bezwingt im Kampf um ein Olympiaticket Dänemark mit überraschender Leichtigkeit. Ihr Trainer überhäuft sie mit Komplimenten.

Zwei Fußballspielerinnen jubeln auf dem Spielfeld

Befreiungstreffer: Klara Bühl (l) und Alexandra Popp jubeln nach dem 1:0 gegen Dänemark Foto: Sebastian Gollnow/dpa

ROSTOCK taz | Als es zur letzten Fragerunde ging, ergriff Horst Hrubesch nach diesem großen Triumph gegen Dänemark das Wort. Er wolle noch etwas von seiner Seite einschieben. Die Stimme des Mannes mit der kantigen Physiognomie, der einst Kopfballungeheuer genannt wurde, nahm einen weichen Klang an. „Die Mannschaft steht wirklich zueinander. Das fasziniert mich. Sie nehmen den alten Mann mit und das funktioniert eigentlich ganz gut. Ich sehe das nicht als normal an.“

Der 72-Jährige, der Anfang November interimsmäßig die Arbeit der erkrankten Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg übernahm, hat eine reichlich komplizierte Aufgabe zu bewältigen. Er soll das nach der verpatzten WM völlig derangierte Team auf Olympiakurs bringen. Und dazu war am Freitag in Rostock ein Sieg mit zwei Toren Unterschied Pflicht.

Von Pflicht war an diesem bitterkalten Abend aber wenig zu spüren. Die deutschen Fußballerinnen begeisterten neben Hrubesch auch die 19.180 Zuschauerinnen und Zuschauer im Ostseestadion. Von Beginn an führten sie Regie über das Spiel und degradierten die Däninnen zu Statistinnen. Einen solch guten Auftritt unter massivem Druck hat man von der DFB-Elf seit der Europameisterschaft 2022 nicht mehr gesehen.

Die Kritik des Trainers erschöpfte sich nur darin, dass das Endergebnis eigentlich viel zu niedrig ausgefallen sei und der erlösende letzte Treffer zum 3:0 erst in der Nachspielzeit durch Klara Bühl erzielt wurde.

Was hat Horst Hrubesch mit diesem Team nur in wenigen Wochen gemacht? Der Gefragte antwortete wie immer in schlichten Worten: „Sie vertrauen mir und ich vertraue ihnen.“ Die Chemie zwischen beiden Seiten stimme. Die Dankbarkeit dafür ist auf beiden Seiten auch spürbar groß. Jede Spielerin in der Mixed Zone hatte ein Loblied für Hrubesch auf den Lippen. Bühl hob hervor, der Trainer strahle einfach „ ein Urvertrauen“ aus, das gut tue. Sidney Lohmann sprach von einem Gefühl der Unschlagbarkeit, das Hrubesch vermitteln könne. Und Giulia Gwinn von einer Spielfreude, die der Trainer ihnen geschenkt habe, indem er sich auf „die Basics“ besinne und das Team nicht mit zu viel taktischem „Input“ belaste.

Der Trainer als größter Fan des Teams

Hrubesch selbst betonte vor dem letzten Nations-League-Gruppenspiel am Dienstag in Wales, wo man sich gegen den Außenseiter endgültig für das Finalturnier um die Olympiatickets qualifizieren möchte, die Bedeutung von Zusammenarbeit: „Wir werden uns jetzt zwei, drei Stunden freuen, dann werden wir uns nachher zusammensetzen und ich werde sie fragen, was machen wir. Und das ist das, was ich eigentlich versuche, dass wir einen gemeinsamen Weg suchen.“ Er lasse die Spielerinnen im Training viel ausprobieren und ermuntere sie Fehler zu machen, weil man auf diese Weise herausbekommen, was gehen könnte.

Das unterscheidet sich doch erheblich von den Erzählungen, die aktuell in der Doku „Born for this“ über die Zustände während der WM im Sommer präsentiert werden. Dort wurden die Spielerinnen im Quartier mit Hinweisschildern „Dein Bett hat eine Funktion. Schlaf!“ oder „Trinke den ganzen Tag und kontrolliere deinen Urin!“ drangsaliert. Für diejenigen, die sich am Freitag keinesfalls von den DFB-Fußballerinnen positiv überraschen lassen wollten, schaltete das ZDF die Doku-Folgen über das WM-Scheitern eine halbe Stunde vor Anpfiff frei.

Wird dort in der Nachschau unter anderem das abgelegene Teamhotel als wenig erfolgsfördernd beklagt, wurden die widrigen Witterungsverhältnisse in Rostock in den Tagen vor dem Spiel gegen Dänemark sogar zum kleinen Erfolgsgeheimnis erkoren. „Wir konnten nicht wirklich Fußball spielen im Training. Deshalb war es auch die Lust, wieder auf einem normalen Platz zu spielen, das kommt vielleicht dazu“, gab Marina Hegering zu bedenken. Auch derlei Interpretationen stehen für einen erfolgsbegünstigenden Stimmungswandel.

Horst Hrubeschs Schwärmereien ließen einen fast vergessen, dass vor Kurzem noch die Überzeugung vorherrschte, der deutsche Frauenfußball habe den Anschluss an die Weltspitze verpasst und müsse sich neu aufstellen.

Wobei unter dem Interimstrainer auch so manche neue Kraft auf sich aufmerksam macht. Im defensiven Mittelfeld vollrichtete Sjoeke Nüsken einen fast lückenlosen Abschirmdienst, so dass sich Verteidigerin Hegering über mangelnde Defensivarbeit beklagen musste. Mit ihrem Kopfballtreffer nach einer Ecke konnte Hegering dafür einen wertvollen offensiven Akzent setzten. Sarai Linder überzeugte in ihrem erst siebten Länderspiel auf der Außenverteidigerposition und bediente Alexandra Popp bei ihrem frühen Kopfballtreffer in der 14. Minute mit einer schönen Flanke.

Besonders begeistert war Hrubesch von Elisa Senß, die im Alter von 26 Jahren mit der Einwechselung in der zweiten Halbzeit ihr erstes Länderspiel in größter Unbekümmertheit bestritt. Er lobte ihre Emsigkeit, Spielübersicht und gute Technik. „Sensationell“ bezeichnete er ihre Leistung und machte grundsätzlich auf die große Zahl guter Spielerinnen aufmerksam, die ihm noch zur Verfügung stehen.

Horst Hrubesch ist ohenhin der größte Fan dieser Elf. Und als solcher soll ihm das Schlusswort vorbehalten sein: „Sonst muss ich halt einfach sagen, es hat mir verdammt gut gefallen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.