Gängelung der DFB-Fußballerinnen: Aber jetzt schnell ins Bett!

Bei der WM wurden die DFB-Fußballerinnen mit Schildern zur Professionalität angehalten. Es ist höchste Zeit für eine gründliche Aufarbeitung.

Alexandra Popp nimmt einen Schluck aus der Wasserflasche

„Trink über den ganzen Tag!“: Alexandra Popp macht alles richtig

Viele Wege führen zum Erfolg, heißt es. Und es ist in den vergangenen Jahren nicht gerade wenig ausprobiert worden, um aus den Möglichkeiten eines Fußballteams das Maximale herauszuholen.

Christoph Daum ließ einst die rumänische Nationalmannschaft einen Bus mit einem Seil ziehen. Nur ein Stück weit, dafür aber bergauf. Die Fußballer staunten, wie stark sie gemeinsam waren, und gewannen just das folgende WM-Qualifikationsspiel. Bekannter ist in Deutschland die Anekdote, wie Daum in Leverkusen Spieler barfuß über Scherben laufen ließ.

Von Ralf Rangnick, dem heutigen Nationaltrainer Österreichs, wird erzählt, dass er einst in Stuttgart einen Knallfrosch in der Kabine zündete, um die Spieler auf ein neues Aufmerksamkeitslevel zu heben. Manch einer hat sich über all diesen Hokuspokus lustig gemacht und auf die zeitlich begrenzte Wirkung der unorthodoxen Maßnahmen hingewiesen.

Die Erfolgsoptimierer beim DFB setzen neuerdings scheinbar, zumindest wenn es um die besten Fußballerinnen geht, auf alltägliche Penetranz und Bemutterung: „Dein Bett hat eine Funktion: Schlaf!“ Oder: „Trinke über den ganzen Tag und kontrolliere deinen Urin.“ Derlei Hinweise im Befehlston waren in den Appartments der deutschen Fußballerinnen bei der Weltmeisterschaft vergangenen Sommer im australischen Wyong untergebracht. Das kam gerade durch die vom DFB anfangs mitfinanzierte Doku „Born for this“ zu Tage, deren neueste Folgen sich mit der Aufarbeitung des verpatzten Turniers befassen.

Wenig Vertrauen in die Spielerinnen

Allein das ist schon kurios, weil die interne sportliche Aufarbeitung der WM mit der damals verantwortlichen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nie stattfand. Grund war eine psychische Erkrankung der Bundestrainerin und infolgedessen auch die Auflösung ihres Vertrags.

Kurios sind diese enthüllten entmündigenden Details aus dem WM-Alltag, welche die Spielerinnen wie kleine Kinder aussehen lässt, aber auch, weil die Doku darauf angelegt ist, die Spielerinnen als eigenständige Persönlichkeiten zu präsentieren. Voss-Tecklenburg sagte einst: „Wir haben unglaublich tolle Vorbilder und Persönlichkeiten, und die müssen wir einfach sichtbar machen.“ Die Hinweisschilder von Wyong sind dagegen nicht unbedingt als Vertrauensbeweis in die Spielerinnen zu lesen.

Vielmehr fühlt man sich an ein Klima der Kontrollsucht erinnert, das beispielsweise zeitgleich beim späteren Weltmeister Spanien vorherrschte. Dort, so wurde berichtet, untersagte Trainer Jorge Vilda den Spielerinnen, vor seinem Kontrollgang ihre Zimmer abzuschließen.

Kurios mutet jetzt auch der Zeitpunkt der Ausstrahlung der Doku-Folgen kurz vor dem entscheidenden Spiel gegen Dänemark an, bei dem die Olympiaqualifikation des deutschen Teams auf dem Spiel steht. Nationalspielerin Svenja Huth wollte sich deshalb nicht länger mit Journalistenfragen nach der Doku befassen. Man schiebe das aktuell auf die Seite, erklärte sie.

Die TV-Verträge sind zwar schon vor vielen Monaten abgeschlossen worden, aber das Timing des DFB wirkt bei der Bewältigung der Krise des Frauennationalteams weiter höchst unglücklich. Dazu gehört auch die immer noch ungelöste Frage, wer das Team auf längere Sicht denn wieder zu Erfolgen führen soll und ob Horst Hrubesch bei einer möglichen Olympiaqualifikation beim Turnier überhaupt noch an der Seitenlinie steht.

Die Doku „Born for this“, die nach dem knapp verlorenen EM-Finale gegen England viele beim DFB vermutlich als eine Erfolgsserie mit großem Potenzial betrachteten, ist mittlerweile ein eindrücklicher Report des Scheiterns.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.