Der Weg zum Vergesellschaftungsgesetz: „Jeden Stein dreimal umdrehen“

Aktivist Achim Lindemann verrät, wie Deutsche Wohnen Enteignen zu einem wasserdichten Gesetz kommen will – und was die großen Knackpunkte sind.

Performance von "Enteignungsgespenstern" in gelben und lilafarbenen Umhängen vor dem Roten Rathaus

Die Gespenster der Enteignung sind zurück Foto: dpa

taz: Herr Lindemann, wieso will die Initiative das Vergesellschaftungsgesetz erst in einem Jahr vorlegen, einen Entwurf dafür haben Sie doch längst in der Schublade?

Achim Lindemann: Unser Entwurf von 2021 hat den damaligen Stand der Wissenschaft, erarbeitet von Ehrenamtlichen, festgehalten. Das war ein erster Debattenaufschlag für die Diskussion. Normalerweise werden Gesetze von ganzen Senatsverwaltungen geschrieben. Angesichts der Erkenntnisgewinne aus der Arbeit der Expertenkommission werden wir den damaligen Entwurf als Ausgangspunkt für ein ganz neues Gesetz nehmen, das den aktuellen Wissensstand abbildet.

33, ist Jurist und Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen.

Wer wird das Gesetz schreiben?

Wir müssen zu einem rechtssicheren, 100 Prozent wasserdichten Gesetz kommen und wollen uns dafür fachkundiger juristischer Expertise bedienen. Wir werden eine Kanzlei beauftragen, das Gesetz zu schreiben, und zusätzlich einen wissenschaftlichen Beirat gründen, der hochkarätig besetzt sein wird. Beide werden Hand in Hand für die redaktionelle Erarbeitung verantwortlich sein. Und weil das alles Geld kostet, starten wir jetzt ein Crowdfunding. Wir brauchen 100.000 Euro.

Welche zentralen Ergebnisse haben Sie aus der Arbeit der Expertenkommission mitgenommen?

Der Abschlussbericht zeigt, dass wir richtig gelegen haben: Vergesellschaftung ist rechtssicher möglich, finanzierbar und der beste Weg, um den Mietenwahnsinn zu stoppen. Das ist die Hauptmessage. Zugleich zeigt der Bericht auch die Knackpunkte und politischen Spielräume, die bestmöglich in einem Gesetz reflektiert werden müssen.

Die Bestimmung der Entschädigungssumme ist der größte Knackpunkt. Über den Weg dahin waren sich die Kommissionsmitglieder nicht einig.

Wichtig ist, dass der Kommissionsbericht bestätigt hat, dass eine Entschädigung der Konzerne deutlich unter Marktwert erfolgen kann und muss. Aber die Bestimmung der Summe muss genau austariert werden. Spannend ist, dass die Kommission noch ein neues Kriterium eingeführt hat: die Leistbarkeitsgrenze des Landes. Das bedeutet, Vergesellschaftung darf nicht so teuer sein, dass Berlin sie sich nicht leisten kann. Denn sonst würden finanzielle Vorgaben die Anwendung eines Grundgesetzartikels verhindern.

Deutsche Wohnen & Co enteignen hat bislang argumentiert, dass sich die Entschädigungssumme an den späteren Mieten orientieren soll. Ist das jetzt vom Tisch?

Nein, der Bericht hat grundlegend grünes Licht für unser Faire-Mieten-Modell gegeben. Das geht davon aus, dass an die Konzerne nur so viel Entschädigung zu zahlen ist, wie sich an Mieterträgen aus den Beständen realisieren lässt – bei fairen Miethöhen. Aber es gibt auch noch weitere Wege, wie man zu der Entschädigungshöhe kommt. Wir werden den rechtssichersten bestimmen.

Wird es bei der Grenze von 3.000 Wohnungen, ab der vergesellschaftet werden soll, bleiben?

Die Kommission hat diese Grenze als Kriterium für die Vergesellschaftung ausdrücklich bestätigt. Aber sie hat auch hier politische Spielräume aufgezeigt, sodass die Grenze ebenso bei 2.000 Wohnungen liegen könnte. Möglich ist zudem, unabhängig von der Bestandsgrenze zu vergesellschaften und sich an der Rechtsform zu orientieren; dann würde man auf alle kapitalmarktorientierten Unternehmen zielen. Wir müssen schauen, was nicht nur auf dem Papier, sondern auch bei der konkreten Umsetzung die beste Lösung ist.

Halten Sie an dem Ziel fest, die vergesellschafteten Bestände in eine Anstalt öffentlichen Rechts zu überführen?

Darauf haben wir uns frühzeitig festgelegt und auch schon ein umfassendes Konzept vorgelegt, das wir ebenfalls noch mal einer kritischen Überprüfung unterziehen werden. Wir wollen die bestmögliche Verwaltung und demokratische Mitbestimmung der Mie­te­r:in­nen garantieren und dafür sorgen, dass Veräußerungsmöglichkeiten durch zukünftige Senate ausgeschlossen werden, die Bestände also ewig in den Händen der Ber­li­ne­r:in­nen bleiben.

Gehen Sie nicht ein großes Risiko ein, wenn schlussendlich Ihr Gesetz vor den Gerichten beurteilt wird? Ein Scheitern würde auf Sie zurückfallen und den Weg für Vergesellschaftungen verbauen.

Wir werden mit diesem Gesetzesvolksentscheid den Artikel 15 voranbringen. Wenn wir diesen Grundgesetzartikel, der noch nie zur Anwendung gekommen ist, nicht anfassen, um ihn nicht kaputtzumachen, dann haben wir auch nichts gewonnen. Wir müssen jetzt mutig vorangehen, denn dieser ungehobene Schatz im Grundgesetz kann für viele Krisen, denen wir gerade begegnen, eine erfolgversprechende Lösung sein. Wir werden ein Gesetz erarbeiten, das der Prüfung vor den obersten Gerichten standhalten wird. Das ist unser Anspruch. Wir werden auf dem Weg dahin jeden juristischen Stein dreimal umdrehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.