Deutschlands China-Strategie: Geschätzter Geschäftspartner

Während Deutschland seinen Umgang mit China neu ausrichtet, bricht Pekings Außenhandel ein. Groß ist die Abhängigkeit von Europas Märkten.

Der chinesische Premierminister und Olaf Scholz gehen auf ein mit rotem Teppich überzogenes Podest

Schwieriges Beziehungen: Der chinesische Premier Li Qiang bei Kanzler Olaf Scholz im Juni Foto: reuters

PEKING taz | Natürlich ist es kein Zufall, dass die Bundesregierung ihre erste China-Strategie ausgerechnet beim Berliner Merics-Institut vorgestellt hat: Die Denkfabrik ist vor mehr als zwei Jahren von der chinesischen Regierung mit Sanktionen belegt worden, seither dürfen die Forscherinnen und Forscher nicht mehr in die Volksrepublik einreisen. So gesehen steht der Ort sinnbildlich für das schwieriger gewordene Verhältnis zwischen Berlin und Peking.

China ist nicht mehr nur Partner, sondern auch systemischer Rivale – die Botschaft aus Deutschland wurde natürlich auch 8.000 Kilometer östlich vernommen. In Peking ist das seit über einem Jahr geplante Papier der Bundesregierung ein allzu vertrautes Thema. Wann immer zuletzt deutsche Delegationen die chinesische Hauptstadt besuchten, fragten sie zuerst nach dem aktuellen Stand der China-Strategie. Und auch über die zuvor in deutschen Medien geleakten Details wussten die Parteikader bestens Bescheid.

Gleichwohl wurde den aus Deutschland angereisten Wirtschaftsvertretern und Politikern in China bis zuletzt der rote Teppich ausgerollt. Das hat vor allem mit der angespannten wirtschaftlichen Lage im Reich der Mitte zu tun. Europa ist für China schließlich wichtigster Handelspartner. Unter den EU-Staaten liegt Deutschland sogar klar auf Platz eins. Auch da sich die chinesischen Beziehungen zu den USA seit Jahren verschlechtern, so die verbreitete Erkenntnis in Peking, will man es sich nicht auch noch mit den Europäern verscherzen.

Wirtschaftserholung nach Corona bleibt bisher aus

Die am Donnerstag veröffentlichten Wirtschaftszahlen haben den Ernst der Lage noch mal deutlich gemacht: Der Außenhandel Chinas ist im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwölf Prozent eingebrochen. Die Lieferungen nach Deutschland sind sogar um 15 Prozent gesunken. Die chinesischen Exportunternehmen leiden unter der schwachen globalen Nachfrage. Gleichzeitig stagniert der Binnenkonsum noch immer. Die erhoffte Wirtschaftserholung nach der Corona-Öffnung bleibt in China bislang weitgehend aus.

Hinzu kommt die erratische und zunehmend ideologische Politik von Staatschef Xi Jinping. Sie sorgt dafür, dass auch die internationalen Geldgeber fernbleiben. Laut der Analyse-Firma Rhodium verzeichnete China im ersten Jahresquartal lediglich 20 Milliarden Dollar an ausländischen Direktinvestitionen – 2022 waren es noch fünfmal so viel. Gleichzeitig verlassen derzeit die Superreichen in Scharen das Land: Die US-Beratungsfirma Henley & Partners schätzt, dass im laufenden Jahr über 13.500 chinesische Millionäre ihrer Heimat den Rücken kehren werden.

Vor diesem Hintergrund wären die Machthaber in Peking also gut beraten, die von der deutschen Bundesregierung formulierte Kritik in der China-Strategie ernstzunehmen. Doch zumindest nach außen hin möchte man sich keinerlei Blöße geben. „Deutschland steht derzeit vor vielen Herausforderungen, und es ist wichtig, die Ursachen anzugehen. Aber eines ist sicher: Keines der Probleme wird von China verursacht. Und eine Partnerschaft mit China ist Teil der Lösung“, kommentierte etwa Wang Lutong, Generaldirektor für europäische Angelegenheiten im Außenministerium.

Wang zählt dabei noch zu den gemäßigten Stimmen. In den kommenden Tagen dürften sich vermehrt auch die nationalistischen Hardliner des Parteiapparats zu Wort melden. In sozialen Netzwerken reagiert der Internet-Mob vor allem mit Zynismus und Hass auf die neue China-Strategie: Die deutschen Politiker werden etwa als „Hunde der Vereinigten Staaten“ diffamiert, andere rufen zum Boykott deutscher Autos auf.

Dabei fällt die China-Strategie noch deutlich diplomatischer aus, als es im ursprünglichen Entwurf vorgesehen war. Einige Äußerungen, etwa in Bezug auf Chinas militärische Drohungen gegenüber Taiwan und Menschenrechtsverletzungen, wurden zuletzt deutlich entschärft – sehr zur Enttäuschung der Zivilgesellschaft.

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