Diskriminierung an Grundschule: Wenn Weiße Rassismus definieren

Eine Neunjährige wurde an einer Wilhelmshavener Grundschule diskriminiert. Doch der Vorwurf, das war Rassismus, trifft auf wenig Verständnis.

Eine Glastür mit Schild "Schule ohne Rassismus"

Schule ohne Rassismus: leichter gesagt als getan Foto: Friso Gentsch / dpa

BREMEN/WILHELMSHAVEN taz | „Das war kein Rassismus.“ Wenn Jessica Obame diesen Satz das erste Mal gehört hätte, hätte sie wohl geschwiegen. Und nicht öffentlich gemacht, was ihr und ihrer neunjährigen Tochter an deren Grundschule in Wilhelmshaven passiert ist. Aber die aus Gabun stammende Maschinenbauingenieurin und Mutter von fünf Kindern lebt seit 16 Jahren in Deutschland und hat genug. „Rassismus erleben wir Schwarzen Menschen jeden Tag“, sagt die 33-Jährige. Und immer wieder würden Menschen, die selbst nicht rassistisch diskriminiert werden, ihre Verletzungen kleinreden.

Damit diese verstehen, wie Rassismus wirkt, hat sie der taz ihre Geschichte erzählt. Ende November stand sie in der Zeitung: Weil ihre Tochter in der Sport-Umkleide sich und ihre Freundin fotografiert hatte – in Kleidung –, rief die Schulleiterin die Polizei, offenbar auf Druck von Eltern. Zwei Be­am­t:in­nen kamen und redeten dem Kind nach Schulschluss ins Gewissen; im Beisein der Schulleiterin, der Klassenlehrerin und zwei anderer Eltern. Letzteres bestreitet nur die Polizei.

Dabei hatte diese nach Sichtung der Bilder festgestellt, dass weder andere Kinder darauf zu sehen noch dass sie in anderer Weise problematisch waren. Jessica Obame hingegen wartete zu Hause besorgt auf ihr Kind. Niemand hatte sie angerufen, weder vorher noch hinterher. 40 Minuten später als erwartet stand ihre Tochter weinend vor der Tür. Sie war allein nach Hause geschickt worden.

Nachdem Jessica Obame den Vorfall öffentlich gemacht hatte, hat sich zwar nicht die Polizei, aber die Schulleiterin bei ihr entschuldigt. Das Kultusministerium verspricht Aufarbeitung, im Schulausschuss der Stadt hat ein Ratsherr das Thema angesprochen – und die einhellige Meinung ist: „Das war falsch, aber kein Rassismus.“

Typische Reaktion

Die Reaktion, den Rassismus-Vorwurf von sich zu weisen, sei typisch, sagt Tahir Della, Sprecher des Vereins „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“. Dabei, sagt Della, gehe es gar nicht darum, zu entscheiden, ob sich jemand zu Recht diskriminiert fühlt oder die Person gar zum Nachweis aufzufordern. Wichtig sei, ihr zuzuhören und zur Kenntnis zu nehmen, wie etwas bei ihr angekommen ist. „Dann kann ich dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.“

Gerade Schulen müssten daran ein großes Interesse haben, sagt Cristina Antonelli-Ngameni, Leiterin der „Beratungsstelle gegen Rassismus in der Bildung“, einem neuen von der Bundesdiskriminierungsstelle geförderten Modellprojekt, das in zwei Gemeinden bei Hannover sowie in Salzgitter Schulen berät. „In Schulen geht es schließlich um Entwicklung, dafür braucht es eine gute Fehlerkultur.“ Die Nachfrage seit dem Start im Oktober sei sehr groß, sagt sie. Und: Es brauche viel mehr solcher Beratungsstellen. „Nur wenige trauen sich ohne Unterstützung, solche Erfahrungen überhaupt anzusprechen.“

Weiter als das niedersächsische Kultusministerium waren viele, die den Artikel in sozialen Medien kommentiert haben. Die Mutter könne wohl am besten beurteilen, wie das Verhalten von Schule und Polizei auf sie gewirkt habe, schrieben sie. Und immerhin ein weiteres Mitglied des Wilhelmshavener Stadtrats, der Grüne Miguel Schaar, hat Jessica Obame angerufen und um Entschuldigung gebeten. Ob es sich um Rassismus handle, sei nicht seine Aufgabe zu entscheiden, sagte er der taz. „Ich bin einfach entsetzt.“ Er hat die Stadtverwaltung aufgefordert, den Vorfall aufzuklären.

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