Einigung vor dem Nato-Gipfel: Erdoğan lässt Schweden rein

Der türkische Präsident stimmt nun doch Schwedens Nato-Beitritt zu. Schweden sagt im Gegenzug gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus zu.

Erdogan Stoltenberg und Kristersson

Erdoğan und Kristersson reichen sich vor ihrem Treffen mit Stoltenberg in Vilnius die Hände Foto: Henrik Montgomery/TT News Agency/AP

VILNIUS taz | Der türkische Präsident Erdoğan hat seine Blockade des Nato-Beitritts von Schweden aufgegeben. Nach Wochen von diplomatischen Bewegungen hat Erdoğan bei einem Treffen am Montagabend in der litauischen Hauptstadt dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen.

In Vilnius beginnt am Dienstag der Nato-Gipfel mit den 31 Staats- und Regierungschefs. Das Treffen zwischen Erdoğan und Kristersson hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg arrangiert.

„Ein genaues Datum kann ich nicht nennen: Das liegt an dem türkischen Parlament, das die Ratifizierung zustimmen muss“, sagte Stoltenberg in einer Pressekonferenz kurz vor 22.30 Uhr lokaler Zeit in Vilnius. Den ganzen Montag über hatte das Nato-Presseteam gegenüber den drängenden internationalen Jour­na­lis­t*in­nen versichert, dass es auf keinen Fall spät am Abend noch eine spontane Pressekonferenz geben werde. Am Ende kam es doch anders.

Schweden und Finnland hatten im Mai 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Finnland ist bereits Anfang April zum 31. Mitglied des Bündnisses geworden. Schweden fehlt dagegen nach wie vor die Zustimmung der Türkei und Ungarns, was in erster Linie an der türkischen Blockadehaltung gelegen hat.

„Mit Ungarn wird es auch kein Problem sein“, versicherte Stoltenberg am Abend. „Das vor einem Jahr auf dem Madrider Nato-Gipfel beschlossene Memorandum hat Wirkung gezeigt“, erklärte der Nato-Generalsekretär.“ Als Teil des Prozesses hat Schweden seine Verfassung geändert, Gesetze geändert“. Deswegen komme jetzt das „Ja“ aus Ankara. Aber nicht nur.

Bilaterale Kooperation und Anti-Terror-Koordinator

Eine Einigung mit der Türkei wurde vor allem möglich, weil das Kernthema „Terrorismus“ und die letzte Forderung Erdoğans, EU-Perspektiven für die Türkei, in dem letzten Treffen in Vilnius auf den Tisch gelegt wurden. In der gemeinsamen Erklärung heißt es nun, dass Schweden und die Türkei ein neues bilaterales Sicherheitskonzept vereinbart haben. „Die Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Schweden im Kampf gegen den Terrorismus als Verbündete wird auf ein höheres Niveau gebracht: Jährliche Treffen werden stattfinden, sie werden einen gemeinsamen Fahrplan entwickeln“, erklärte Stoltenberg auf Nachfrage der Journalist*innen.

Zuvor hatte die Türkei Schweden vorgeworfen, dass das skandinavische Land nicht ausreichend gegen „Terrororganisationen“ vorgehe – dabei geht es ihr vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.

Kurz vor seinem Abflug nach Vilnius hatte Erdoğan in Ankara noch überraschend erklärt, seine Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens an den EU-Beitritt der Türkei koppeln zu wollen. Dazu sagte Stoltenberg nach dem Dreiertreffen, Stockholm habe versprochen, die Bemühungen der Türkei um einen EU-Beitritt zu unterstützen. „Die EU ist jedoch kein Thema für die Nato. Es handelt sich lediglich um die vereinbarten Ansichten auf dem heutigen Treffen“, fügte Stoltenberg hinzu. Der gemeinsame Wirtschafts- und Handelsauschuss Schweden-Türkei soll gestärkt werden.

Zusätzlich wird die Nato zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen speziellen Koordinator für Terrorismusbekämpfung bekommen. „Es ist ein historischer Schritt“, sagte der Nato-Chef. Die Nato sei mit dem Terrorismus und mit Russland konfrontiert, diese seien die Kernaufgabe des Bündnisses, fügte Stoltenberg hinzu.

Baerbock und Biden hoch erfreut

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und US-Präsident Joe Biden haben das grüne Licht des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für einen Nato-Beitritt Schwedens begrüßt. „Gute Nachrichten aus Vilnius: Der Weg für die Ratifizierung von Schwedens Nato-Mitgliedschaft durch die Türkei ist endlich frei“, erklärte Baerbock am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Unsere gemeinsamen Anstrengungen haben sich gelohnt. Zu 32 sind wir alle zusammen sicherer. Herzlichen Glückwunsch, Schweden!“

Biden erklärte, er begrüße die Ankündigung von Schweden, der Türkei und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Ich stehe bereit, mit Präsident Erdogan und der Türkei zusammenzuarbeiten, um die Verteidigung und Abschreckung im Euroatlantik-Raum zu verstärken. Ich freue mich, Regierungschef Kristersson und Schweden als unseren 32. Nato-Verbündeten zu begrüßen. Und ich danke Generalsekretär Stoltenberg für seine standhafte Führung.“

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