Entlassungen bei „Frankfurter Rundschau“: Ein Kompromiss

Die „Frankfurter Rundschau“ hatte nach einem Streik drei JournalistInnen entlassen, zwei klagten. Nun gab es eine außergerichtliche Einigung.

Protestzug mit Verdi Flaggen ziehen durch die Frankfurter Innenstadt

Hessischer Streik- und Aktionstag im Handel und Solidarität mit Gekündigten bei der Frankfurter Rundschau am 22. Dezember Foto: Peter Henrich/HEN-FOTO/imago

FRANKFURT taz | Die mit Spannung erwartete Verhandlung über die Kündigungsschutzklage der Journalistin Yağmur Ekim Çay gegen die Frankfurter Rundschau ist abgesagt. Die Entscheidung sei ihr sehr schwer gefallen, doch angesichts ihrer angeschlagenen Gesundheit habe sie einer Vereinbarung zugestimmt, die ihr etwas Luft verschaffe, erklärte die geschasste Redakteurin der taz zum außergerichtlichen Vergleich.

Die 29-Jährige laboriert an den Verletzungen, die sie sich am 28. Dezember bei einem Unfall zugezogen hatte. Sie war von einer U-Bahn seitlich erfasst und dadurch erheblich verletzt worden. Die FR zahlt ihr nun immerhin das Gehalt bis zum 31. März, für die Jobsuche ist sie freigestellt.

Die Gewerkschaft Verdi, die ihre Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt unterstützt hatte, bleibt auch nach dem Vergleich bei ihrer Lesart der Kündigungen von Çay und zwei weiteren jungen KollegInnen. Die FR-Verlagsleitung habe mit den Kündigungen der NachwuchsjournalistInnen die Belegschaft für den Streik am 1. Dezember letzten Jahres abgestraft. „Mit Methoden des Union Bustings, der Bekämpfung und Unterdrückung von Gewerkschaften, soll gewerkschaftliches Handeln im Keim erstickt werden“, heißt es in der Erklärung von Verdi.

Bauer, der vom Schachbrett geschoben wird

Die nun abgesetzte Gerichtsverhandlung hätte deshalb interessant werden können. Verlag und Gewerkschaft bewerten die Kündigungen nach wie vor höchst unterschiedlich. Wenige Tage nachdem die halbe Redaktion für einen Tarifvertrag sowie gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen gestreikt hatte, eröffnete Geschäftsführer Dr. Max Rempel den drei betroffenen KollegInnen, dass sie ihren Job verlieren.

„Die angekündigten Kündigungen stehen nicht im Zusammenhang mit dem Streik, sondern hängen mit der Einstellung der redaktionellen Betreuung unrentabler Produkte zusammen“, versicherte Rempel damals der taz. Doch die von der Kündigung Betroffenen und Verdi halten diese Begründung für vorgeschoben.

Es sei schon „sehr auffällig“, wenn wenige Tage nach dem Streik drei NachwuchsjournalistInnen gekündigt würde, formulierte Maxi Arnhold, einer der drei, damals auf seinem Instagram-Kanal; obwohl sie selbst am Streik gar nicht teilgenommen hätten, seien sie wohl deshalb ausgewählt worden, weil das in der Probezeit leicht möglich gewesen sei, vermutete Arnhold und merkte bitter an: „Man fühlt sich wie ein Bauer, der vom Schachbrett geschoben wird, als Verfügungsmasse.“ Arnhold ist nach einer außergerichtlichen Vereinbarung bei der FR bereits ausgeschieden und arbeitet als freier Journalist.

Keine Tarifverträge

Die Frankfurter Rundschau gehört mehrheitlich zum Imperium um den Patriarchen Dirk Ippen (83) und damit zur fünftgrößten Zeitungsgruppe in Deutschland. Unter Ippens Regie werden in Hessen zahlreiche Titel verlegt, neben der FR unter anderem die Hessisch Niedersächsische Allgemeine, die Frankfurter Neue Presse und die Offenbach Post. Seit Jahren wehrt sich Ippen gegen Forderungen von Gewerkschaften und Journalisteinnenverbänden, nach Tarifverträgen zu bezahlen.

Die Auseinandersetzung bei der Frankfurter Rundschau stellt Verdi in diesen Zusammenhang. „Die Belegschaft muss befürchten, dass die Forderung nach besserer Bezahlung dazu führt, dass die Ippen Gruppe und Geschäftsführer Rempel weitere Personalabbaumaßnahmen ankündigen“, erklärte für Verdi die Projektmanagerin Anja Willmann gegenüber der taz und fügte hinzu: „Unter diesen Bedingungen wird den Beschäftigten die Wahrnehmung ihres Grundrechts auf Streik erheblich erschwert. Die Presse hat eine besondere Verantwortung für den Erhalt der Demokratie. Insofern ist es besonders skandalös, wenn ausgerechnet deren Repräsentanten Grundrechte mit Füßen treten“, so Willmann.

Geschäftsführer Rempel erreichte die taz am Donnerstag auf seinem Rückflug aus dem Urlaub. Er bitte um Verständnnis, dass er deshalb zur Erklärung von Verdi so kurzfristig nicht Stellung beziehen könne, schrieb Rempel der taz und teilte mit: „Ich bin gleichzeitig froh, dass wir eine gütliche Einigung mit Frau Cay erzielen konnten.“

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