Tarifstreit „Frankfurter Rundschau“: „Frankfurter Rundschau“ ohne Tarif

Verdi und DJV fordern eine Rückkehr zum Tarifvertrag bei der „Frankfurter Rundschau“. Deren Besitzer will davon nichts hören und agiert intransparent.

Würfelzucker mit alter Frankfurter Rundschau Banderole

Wollen sich nicht abspeisen lassen, die Mitarbeiter der FR. Würfelzucker aus den 60er Jahren Foto: Arnold/dpa

Auch in der zweiten Runde der Tarifverhandlung bei der Frankfurter Rundschau (FR) ist die Geschäftsführung nicht auf die Forderungen von Verdi und DJV eingegangen, zum Tarifvertrag zurückzukehren. Stattdessen soll eine einseitige Gehaltsanpassung kommen, die weit hinter dem Tarif zurückbleibt.

Vergangene Woche veröffentlichte der Aktivenausschuss der FR einen offenen Brief. Darin warnt er: „Die Zukunft der FR ist gefährdet.“ Zu den aktuellen Konditionen könne man nicht in Frankfurt überleben. Und wenn gestandene Jour­na­lis­t:in­nen die Redaktion verlassen müssen, dann könne man auch keine Zeitung mehr machen. Die Gewerkschaften fordern deshalb weiterhin eine Rückkehr zum Tarifvertrag der Re­dak­teu­r:in­nen in Tageszeitungen.

Die FR war vor 10 Jahren aus dem Tarif ausgestiegen. Heute liegt der Lohn vieler Angestellter mehrere Hundert Euro pro Monat unter Tarif. Auch gibt es aktuell keine automatische Gehaltserhöhung, was gerade in Zeiten hoher Inflation empfindlich zu spüren ist. Im Tarifvertrag sind regelmäßige Gehaltssteigerungen vorgesehen. Auch die Arbeitszeiten sollten neu geregelt werden: Im Tarifvertrag sind 36,5 Stunden pro Woche vorgesehen, heute sind bei der FR 40 Stunden die Norm.

Die Rückkehr zum Tarifvertrag wäre eine Trendwende, nicht nur bei der FR, sondern für die Medienbranche insgesamt. In Hessen ist nur noch die Belegschaft des Darmstädter Echos im Tarif – jedoch nur die bereits seit Längerem angestellten Redakteur:innen. Neuanstellungen laufen über eine Tochtergesellschaft, die nicht nach Tarif bezahlt.

Tarifvertrag als Trendwende

Aber auch die Kluft zwischen den sehr unterschiedlichen Entlohnungen innerhalb der FR soll sich schließen. Die Gehaltsstruktur ist sehr heterogen. Manche Re­dak­teu­r:in­nen haben alte Verträge noch zu Tarifkonditionen, andere sind ehemalige Leiharbeiter, die heute bei einer Tochtergesellschaft angestellt sind und die niedrigsten Gehälter haben. Das spalte die Belegschaft, heißt es in einer Pressemitteilung von Verdi.

Die Besitzer der FR, die Ippen-Gruppe, stellt sich auf den Standpunkt, höhere Gehälter könne sich die Zeitung nicht leisten. Anja Willmann von Verdi kritisiert diese Haltung: „Das sollen sie mal nachweisen! Die Zahlen legen sie ja nicht offen.“ Willmann geht davon aus, dass Ippen mit der FR Geld verdient.

„Die haben so viel gespart in den letzten Jahren, Personal abgebaut, ältere teurere Arbeitnehmer mit jüngeren schlechter Bezahlten ersetzt.“ Aber ohne Zugang zu den Wirtschaftszahlen können Gewerkschaften und Betriebsräte sich kein Bild der tatsächlichen Lage des Betriebs machen. Auch der Betriebsrat hat wiederholt einen Mangel an Transparenz und zunehmende Zentralisierung kritisiert. Die Angestellten hätten kaum Mitsprachemöglichkeiten.

Die Zentralisierung zeigt sich auch im regelmäßigen Texttausch zwischen den verschiedenen Publikationen der Gruppe. Wenn etwa der Hanauer Anzeiger, der auch zur Ippen-Gruppe gehört, einen Text über Hanauer Lokalpolitik veröffentlicht, dann sollen die linksliberale Frankfurter Rundschau und die konservative Frankfurter Neue Presse den übernehmen. In der Belegschaft kritisieren viele die dadurch einhergehende Verengung des Meinungskorridors.

Intransparent geht es auch in anderen Feldern zu, so sind Strukturen bei der Ippen-Gruppe oft nicht klar getrennt. Max Rempel etwa ist sowohl Geschäftsführer der FR als auch Chefredakteur der Frankfurter Neuen Presse und dazu Gesellschafter der Ippen-Gruppe. Viele in der Belegschaft halten das für keine ideale Struktur. Oft erscheine die ökonomische Seite wichtiger als die journalistische.

Die journalistische Unabhängigkeit der Zeitung stand schon einmal in Frage. 2021 verhinderte Verleger Dirk Ippen die Veröffentlichung einer Investigativrecherche zu den Machtmissbrauchsvorwürfen gegen den ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Sowohl das Recherche-Team als auch die Belegschaft protestierten öffentlich, ohne Resultat. Schlussendlich veröffentliche der Spiegel die Recherche. Geschäftsleiter Max Rempel hat eine Anfrage der taz bis zum Ablauf der gesetzten Frist nicht beantwortet.

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