Europäische Ratingagentur gescheitert: Bewertung bleibt in Übersee
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Staaten. Eine europäische Ratingagentur ist vorerst nicht in Sicht. Für das Projekt gab es nicht genug Geldgeber.
BERLIN afp | Das Vorhaben, eine europäische Ratingagentur zu schaffen, ist vorerst gescheitert. Für das Projekt fanden sich nicht ausreichend Geldgeber, wie mehrere Wirtschaftsmedien am Dienstag berichteten.
„Trotz Zusagen konnten wir die kritische Grenze für einen Start nicht erreichen“, zitierte die deutsche Onlineausgabe des Wall Street Journal den Initiator des Projektes, Markus Krall. Er hatte zuletzt versucht, strategische Finanzinvestoren an Bord zu holen, nachdem zuvor sein erstes Vorhaben einer Stiftung gescheitert war.
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit und Ausfallrisiken von Unternehmen, Staaten und Wertpapieren. Den weltweiten Markt beherrschen die drei US-Unternehmen Standard & Poor's, Moody's und Fitch.
Sie sind massiv in die Kritik geraten: Im Zusammenhang mit der Finanzkrise wurde kritisiert, dass sie komplexe Finanzpapiere auf der Grundlage von US-Immobilienkrediten zu gut bewerteten. In der Euro-Schuldenkrise wurde ihnen vorgeworfen, die Krise durch das Herabstufen der Kreditwürdigkeit von Ländern noch verschärft zu haben.
Deshalb war der Ruf nach einer europäischen Alternative laut geworden. Krall brachte das Vorhaben für die Unternehmensberatung Roland Berger auf den Weg, fand aber nicht ausreichend Geldgeber. Deshalb versuchte er außerhalb von Berger in einem neuen Unternehmen, mit einem völlig neuen und deutlich kleineren Projekt die Ratingagentur zu starten. Doch auch dafür fand er nach eigenen Angaben keine Finanziers.
Leser*innenkommentare
Michel zahlt
Gast
Es ist schon peinlich mit anzusehen, wie selbstverständlich unsere Polikerinnen und Politiker in der EU zwischen den Arschbacken in den VSA nach dem politischen und ökonomischen Wind schnuppern.
Martin
Gast
Also erstens stimmt die Aussage, dass es keine europäische Ratingagentur gibt, so nicht. Creditreform, EulerHermes und Bürgel machen genau das, wenn auch "nur" auf Firmen beschränkt.
Zweitens: Das Problem ist doch nicht, ob eine Ratingagentur in Amerika, China oder Deutschland beheimatet ist, sondern, dass die deutsche Politik Ratings und Ratingergebnisse zur Voraussetzung für die Anlagepolitik vor allem von Versicherungen gemacht hat.
Das war gut gemeint, weil man den Versicherern nicht zugetraut hat, Geld verantwortungsvoll anzulegen. Deshalb sollten die nur dort Geld anlegen dürfen, wo vorher eine Ratingagentur bewertet und für gut befunden hat.
Die Folge war, dass Versicherer sich dann blind auf die Ratings verlassen haben - mit fatalen Folgen!
Hätte man den Versicherern die Aufgabe gelassen, eventuell den einzelnen Mitarbeiter wenigstens eine Teilhaftung angedroht, hätte man sich die Ratingagenturen sparen können und die Finanzkrise wäre uns auch erspart geblieben.
Aber wo gutmeinende Politiker werkeln, da braucht es staatliche Vorgaben, egal, wie katastrophal die sich auf Wirtschaft, Staatsfinanzen und uns Privatleute auswirken.