Forschung zu Nahrungsnetzen: Artensterben mit Dominoeffekt

Das sekundäre Aussterben ist nach dem Klimawandel der wichtigste Grund für das Artensterben. Es müssen auch unscheinbare Arten gerettet werden.

Ein Grünspecht schaut auf einer Wiese in einem Frankfurter Garten nach möglichen Bedrohungen von oben

Ein Grünspecht auf Nahrungssuche Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Derzeit findet in der Tierwelt ein Massenaussterben statt. Wie groß der Verlust der Artenvielfalt sein wird, ist noch ungewiss. Das hängt davon ab, ob weiter so viel Land verändert wird (beispielsweise durch die Umwandlung von Regenwäldern in Ackerflächen), wie wir in Zukunft Nahrung gewinnen, wie viele Arten von anderen verdrängt werden und natürlich wie sich das Klima verändert. Welcher dieser Faktoren welchen Einfluss hat, ist schwer herauszufinden, weil mehrere Faktoren gleichzeitig das Artensterben beeinflussen. Inzwischen haben Wis­sen­schaft­le­r*in­nen aber ein besseres Bild vom sekundären Aussterben. Damit gemeint sind Arten, die aussterben, weil andere Arten bereits ausgestorben sind, von denen sie sich zum Beispiel ernährt haben.

Die Studie

Bislang wurde die Rate des Aussterbens meist nur mit den direkten Effekten der Lebensraumveränderung und des Klimawandels berechnet. Ein italienischer und ein australischer Ökologe haben nun anhand virtueller Spezies den Einfluss des sekundären Aussterbens miteinbezogen und ihre Ergebnisse im Fachmagazin Science Advances veröffentlicht.

Die virtuellen Spezies wurden nach echten Vorbildern modelliert, haben also eine plausible Kombination ökologischer Eigenschaften echter Arten, aber passen nicht genau auf eine existierende Art. So können Datenlücken kaschiert werden, denn für Säugetiere und Vögel liegen beispielsweise mehr Daten als für Reptilien oder Amphibien vor. Und die virtuellen Spezies lassen auch Schlüsse für Regionen zu, für die es wenige Daten gibt.

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Im nächsten Schritt haben die Forscher anhand der echten Daten eine virtuelle Erde gebastelt und simuliert, wie es den an Land lebenden Wirbeltieren bis 2100 ergehen wird. Im optimistischsten Szenario, das von 2 bis 4,5 Grad Erderhitzung ausgeht, werden weltweit durchschnittlich 6 Prozent aller Arten aussterben, bis 2100 13 Prozent. Das Worst-Case-Szenario, auf das wir gerade zusteuern, geht von 5 bis 8,5 Grad Erhitzung aus und würde laut den Berechnungen zum Aussterben von 27 Prozent aller Arten bis zum Ende des Jahrhunderts führen.

Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass nach dem Klimawandel der wichtigste Grund für das Artensterben das sekundäre Aussterben sein wird. Die Schätzungen könnten sogar zu niedrig sein, weil die Modelle Insekten und Pflanzen als nicht erschöpfbare Ressourcen behandeln. Dabei sinkt die Zahl der Insekten weltweit.

Was bringt’s?

In allen Szenarien war die Rate des Aussterbens von 2020 bis 2050 höher als zwischen 2051 und 2100. Das heißt, dass keine Zeit beim Arten- und Klimaschutz zu verlieren ist. Die beiden Ökologen betonen außerdem, dass die Rolle des sekundären Aussterbens bislang unterschätzt wurde. Wer das Artensterben aufhalten will, muss also auch unscheinbare Arten retten, die trotzdem eine wichtige Bedeutung für Nahrungsnetze haben.

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