Hamburg blockiert Volksinitiativen: Digital könnte so viel besser sein

Bei Volksinitiativen will es Hamburg analog. Obwohl das gesetzlich anders geregelt ist, sollen sie nur mit Zettel und Stift unterstützt werden dürfen.

Mehrere Aktenordner stehen nebeneinander auf einem Tisch

Viel Papier: Unterschriftenlisten der Hamburger Volksinitiative für verbindliche Bürgerbegehren Foto: Gregor Fischer/dpa

HAMBURG taz | Von der Digitalisierung hält der Hamburger Senat eigentlich eine Menge. Und so wirbt er auch gerne in Sachen Bür­ge­r:in­nen­be­tei­li­gung für seine Onlineangebote, bei denen sich doch bitte alle mit Ideen einbringen sollen. Nur wenn es um Volksinitiativen geht, die nicht nur nette Ratschläge geben, sondern gegen den Senatswillen Vorhaben und Gesetze erzwingen wollen, soll alles ganz wie im vordigitalen Zeitalter bleiben. Der Hamburger Senat verweigert Bür­ge­r:in­nen die Unterstützung für Volksinitiativen auf digitalem Weg – obwohl er dazu schon lange gesetzlich verpflichtet ist.

Hamburg hat eine vergleichsweise weitgehende Volksgesetzgebung, bei der am Ende eines mehrstufigen Prozesses ein Bürgerentscheid steht, an den sich die Stadt halten muss. Bevor es dazu kommt, müssen die Volksinitiativen auf dem Weg dahin immer dicke Aktenordner im Hamburger Rathaus abgeben mit Tausenden Blatt Papier.

Listen, auf denen Bür­ge­r:in­nen handschriftlich ihren Namen, Adresse und die Unterschrift gekritzelt haben und sich damit etwa für die Enteignung von Wohnungsunternehmen, für mehr Bildungsgerechtigkeit oder aber auch für ein Genderverbot in der Hamburger Verwaltung aussprechen. Auf Marktplätzen, an U-Bahnhöfen oder bei Veranstaltungen haben Ak­ti­vis­t:in­nen die Unterschriften zuvor gesammelt.

Doch schon seit 16 Jahren besteht der gesetzliche Anspruch, Unterschriften auch digital zu sammeln. Jedoch: „Die Entwicklung und Implementierung eines technischen Verfahrens ist bisher nicht erfolgt“, antwortete der Senat nun auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Und mehr noch: Der Senat erklärte, dass er überhaupt kein Interesse daran hat, das jemals zu ändern. Es komme schließlich nicht so häufig vor, als dass sich der Aufwand lohne. „Ein technisches Verfahren sollte eine Nutzung über den temporären Einzelfall hinaus gewährleisten“, schreibt der Senat lapidar.

Verfassungsgericht könnte einschreiten

Nachgefragt hatte die CDU wegen der von ihr unterstützten Volksinitiative, die ein Genderverbot in der Stadt durchsetzen will. Die muss aller Voraussicht nach im nächsten Schritt zu einem Volksentscheid genau in den Hamburger Sommerferien im kommenden Jahr innerhalb von drei Wochen 65.000 Unterschriften sammeln. Nicht zu Unrecht befürchtet die Initiative, dass es scheitern könnte, weil viele potenzielle Un­ter­stüt­ze­r:in­nen im Urlaub sind. Auch zwei weiteren Initiativen könnte dieses Schicksal drohen.

Doch so rückschrittlich die Initiative, die geschlechtergerechte Sprache verbieten will, inhaltlich ausgerichtet ist, so sehr könnte sie nun progressiven Initiativen und einer lebhafteren Demokratie in Hamburg zu einem Fortschritt verhelfen: Zumindest droht sie schon den Gang vor das Hamburgische Verfassungsgericht an – und dürfte gute Karten haben.

Schließlich bestehe mit dem aktuellen Personalausweis im Kreditkartenformat die Möglichkeit, durch Scannen mit einer geeigneten App Dokumente elektronisch rechtssicher zu unterzeichnen. Und der Bund habe bereits eine entsprechende App entwickelt, die kostenlos nutzbar ist. Mit der „AusweisApp2“ des Bundes brauche Hamburg keine eigene zu entwickeln.

Sollte es dazu kommen, kann sich der Senat bei der Initiative bedanken, ein eigenes Versprechen einzuhalten. Im aktuellen Koalitionsvertrag beteuern SPD und Grüne nämlich, „die Volkspetition mit der Möglichkeit einer Online-Petition auszustatten“.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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