Kommunalrecht vor Gericht: Die Minderheiten wehren sich

Das schleswig-holsteinische Landesverfassungsgericht befasst sich mit Bürgerbegehren und Kommunalparlamenten. Es geht um Minderheitenrechte.

Ein Bagger auf einer Baustelle

Nicht mehr so leicht zu stoppen: Bagger auf einer Baustelle Foto: Frank Molter/dpa

SCHLESWIG taz | Mehr Mitsprache für kleine Parteien und für Bür­ge­r*in­nen fordern die FDP und die Minderheitenpartei SSW: Sie klagen vor dem Landesverfassungsgericht in Schleswig gegen Änderungen des Kommunalrechts, die die Regierungsmehrheit von CDU und Grünen im Juni beschlossen hat.

Seitdem müssen sich drei statt bis dato zwei Gemeindevertreter zusammenfinden, um eine Fraktion bilden zu können. Außerdem sind Bürgerbegehren gegen Bauleitpläne verboten, wenn zwei Drittel der Gemeindevertretung dafür waren. Letzteres findet Lars Harms, Fraktionschef des SSW im Landtag, unlogisch: „Warum sind zwei Drittel der Gemeindevertretung mehr wert als zwei Drittel der Bevölkerung?“

Der Vorsitzende Richter Christoph Brüning erinnerte daran, dass die Landesverfassung Bürgerbegehren nicht vorschreibe. Mit den Beschlüssen vom Juni drehe das Land drehe nur „an kleinen Stellschrauben“. Aus Sicht von Gruppen wie dem Verein „Mehr Demokratie“ machen dieses jedoch einen großen Unterschied.

Es gibt zwar keinen Anspruch auf Bürgerbegehren, aber wenn der Gesetzgeber sich entschließe, diese zuzulassen, „dann muss das auch den verfassungsrechtlichen Grundsätzen genügen“, sagte Anwalt Moritz von Rochow, der die klagenden Oppositionsfraktionen vertritt.

„Zirkelschluss besonderer Art“

Marcus Arndt als Anwalt des Landtags widersprach. Der Gesetzgeber habe die direkte Demokratie gleichzeitig gestärkt: Bereits mit dem Beginn eines Bürgerbegehrens werde das Bebauungsplanverfahren gestoppt. Um „offensichtlichen Quatsch“ zu verhindern, müssten dafür andere Regeln verschärft werden.

Ausführlich beriet das Gericht die Frage der Fraktionen in größeren Gemeinde- und Kreisparlamenten. So braucht es zurzeit mindestens drei Personen, um eine Fraktion zu bilden, vorher reichten zwei. Landtag und Landesregierung begründen das mit der zersplitterten Parteienlandschaft – die Debatten dauerten länger, je mehr Fraktionen mitredeten.

Das sei ein „Zirkelschluss der besonderen Art“, sagte Bernd Buchholz (FDP). Erstens sei die Störung nur „behauptet“, zweitens „löst die Maßnahme sie nicht, sondern verschärft sie“. Denn statt einer Fraktion würden viele „Einzelkämpfer kreiert“, was Debatten noch verlängere.

Was die Regel konkret bedeutet, schilderte Lars Harms das Beispiel der Kleinstadt Husum: „Die zwei SSW-Vertreter durften als Fraktion bisher in den Ausschüssen mitarbeiten und sie durften bürgerliche Mitglieder entsenden. Beides geht nicht mehr.“ Das schwäche die Mitwirkung und frustriere Ehrenamtliche.

Fatales Zeichen

Gerade mit Blick über die Grenze sei das ein Problem: „Deutschland stellt die dänische Minderheit schlechter als Dänemark die deutsche Minderheit.“ Das sei ein fatales Zeichen und sogar ein Verstoß gegen die Bonn-Kopenhagener Vereinbarung, die gleiche Rechte für die Minderheiten garantiert.

Marcus Arndt, der Anwalt des Landtages, argumentierte dagegen: „Zwei Gemeindevertreter sind keine Volksgruppe.“ Wichtig sei, dass der SSW, der neben der dänischen auch die friesische Minderheit vertritt, im Parlament repräsentiert sei.

Die Einzelrechte der Abgeordneten dürfe der Gesetzgeber bestimmen. „Würde man das jeder Kommune allein überlassen, könnten wenig sachliche Entscheidungen herauskommen“, sagte Arndt. „Der Gesetzgeber hat angenommen, dass er für alle zusammen die sachlichere Entscheidung treffen kann.“

Das Gericht verkündet seine Entscheidung Anfang Februar. Richter Brüning ließ aber durchblicken, dass vielleicht eher die Politik als die Justiz zuständig sei. Lars Harms hofft auf einen Sieg: „Ich denke, wir haben das Gericht zum Nachdenken gebracht.“

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