Irans Angriff auf Israel: Verlogene Solidarität

Die deutschen Reaktionen auf Irans Angriff erschrecken. Das Regime hat seinen Vernichtungswillen nie verhehlt.

Ajatollah Chamenei hebt mahnend, gestikulierend die Hand

Spricht eigentlich Klartext: Ajatollah Chamenei Foto: Zuma Press/dpa

In der deutschen Politik scheint man überrascht zu sein. „Heute Nacht hat der #Iran sein wahres Gesicht gezeigt“, schrieb die FDP-Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger am Sonntag auf X (vormals Twitter). Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, beschrieb den Angriff auf X als „beispiellos“. Bundeskanzler Olaf Scholz postete auf X, der Angriff sei „unverantwortlich“. Außenministerin Annalena Baerbock forderte den Iran auf, den Angriff „sofort einzustellen“.

Die Reaktionen in der deutschen Politik zeugen von einer erschreckenden Unkenntnis über das iranische Regime: Dieser Angriff war weder beispiellos noch unverantwortlich. Er folgte der brutalen Logik der iranischen Machthaber. Diese Machthaber sind noch nie Aufforderungen aus dem Westen gefolgt. Und ihr „wahres Gesicht“ zeigt die Islamische Republik seit dem ersten Tag ihres Bestehens.

Seit 1979 protestieren unzählige Menschen im Iran gegen das Regime. Sie erleiden Tod, Folter und Gefängnis, weil sie sich wünschen, dass sie und ihr Land endlich frei sein mögen von dieser brutalen Diktatur. In dieser Diktatur werden Frauen und Kinder systematisch vergewaltigt, politische Gefangene zu Zehntausenden massakriert, junge Menschen verfolgt und hingerichtet. Die Revolutionsgarden der Islamischen Republik üben seit Jahrzehnten weltweit Terroranschläge aus. Sie sind die Lebensader für terroristische Organisationen wie Hamas und Hisbollah.

Countdown zur Vernichtung Israels

Eines der wichtigsten Ziele der Garden wurde öffentlich tausendfach erklärt: die Vernichtung Israels. In Teheran wurde eigens eine Uhr aufgestellt, die die Tage bis zu Vernichtung herabzählt. Weder der Terror der Hamas noch die Raketenschüsse der Hisbollah aus dem Libanon wären ohne das Regime möglich oder auch nur denkbar. Es war eine Frage der Zeit, bis ein direkter Angriff folgen würde.

All das wissen deutsche Politiker:innen. Und zwar auch dank vieler Menschen im Iran, die tagtäglich ihr Leben riskieren, um Informationen über das Regime an das Ausland zu geben. In Deutschland legen eine Vielzahl an Aktivist:innen, ebenfalls seit Jahren, Zeugnis über die Verbrechen des Regimes ab. Sie weisen gegenüber der Politik unermüdlich auf die Gefahren hin, die von den Revolutionsgarden ausgehen. Die Revolutionsgarden, so fordern sie schon lange, gehören auf die Terrorliste der EU.

Allein: Es ist nichts passiert. Beschwichtigungen und Kotau vor dem Regime prägen weiterhin die deutsche Iran-Politik. Keine nennenswerten Sanktionen, weitere Verhandlungen mit den Machthabern, Schonung der Revolutionsgarden – das ist nach 45 Jahren Terror durch die Islamische Republik die Realität deutscher Außenpolitik. Wenn dann Außenministerin Annalena Baerbock und Olaf Scholz wie nach dem Angriff am Wochenende ihre Solidarität mit Israel bekunden, so erscheint das nur allzu verlogen.

Leidtragende sind die Menschen im Iran und in Israel

In den deutschen Reaktionen auf den Angriff des iranischen Regimes fehlt die Demut. Demut über falsche Entscheidungen der Vergangenheit. Das sollte Anlass zur Sorge sein. Die eigenen Fehler scheinen nicht gesehen zu werden. Nur kann man nicht verändern, was man nicht sieht. Und so ist zu befürchten, dass die deutsche Politik das Regime in Teheran weiterhin verharmlost. Leidtragende sind die Menschen. In Israel und im Iran.

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Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.

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