Irritation um ARD-Faktencheck: Netto importiert Deutschland Strom

Luisa Neubauer erklärt in einer Talkshow für „Fake News“, dass Deutschland mehr Elektrizität aus- als einführe. Das stimmt so nicht ganz.

dichtes Netz aus Stromleitungen

Wie viel Strom Deutschland importiert oder exportiert, ist kompliziert Foto: Federico Gambarini/dpa

FREIBURG taz | Deutschland importiert derzeit so viel Strom wie nie zuvor. Im August belief sich der Importsaldo auf einen Rekordwert von 5,8 Milliarden Kilowattstunden. Seit April waren alle Monate in der Summe Importmonate, was im Sommer zwar nicht ungewöhnlich ist, doch die Mengen sind heute deutlich höher als früher. Die internationalen Stromflüsse rückten nun durch die ARD-Sendung „Maischberger“ ins öffentliche Blickfeld – speziell auch durch den Umgang der hausinternen Faktenchecker mit Aussagen in der Sendung.

Denn der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) hatte in der Talkshow gesagt: „Wir importieren Strom aus dem Ausland.“ Daraufhin behauptete Klimaschutzaktivistin und Grünen-Mitglied Luisa Neubauer: „Wir sind Netto-Exporteur. Das ist wirklich Fake News, was Sie hier verbreiten. Wir sind Netto-Stromexporteur.“

Skurril wurde dieser Vorfall, weil die ARD-Faktenchecker – korrigiert immer wieder durch Nutzer der sozialen Medien – vier Anläufe brauchten, um die eigentlich unmissverständlichen Aussagen, die in der Sendung gefallen waren, korrekt zu analysieren. Erst danach hieß es zutreffend, die Aussage Neubauers, Deutschland sei Netto-Stromexporteur, sei „nicht korrekt“, die vorangegangene Aussage Blumes also „keine ‚Fake News‘“.

Auch der Import von Atomstrom aus Frankreich war in der Sendung Thema. „Wir importieren keinen französischen Atomstrom“, hatte Neubauer gesagt. Doch auch diese Aussage, so schlussendlich die Faktenchecker, müsse „konkludent als nicht haltbar bewertet werden“.

Frage der Genauigkeit

Anders als der Importsaldo lassen länderspezifische Aussagen allerdings Interpretationsspielraum. Das liegt daran, dass es einerseits den physischen und andererseits den kaufmännischen Import gibt. Ein Beispiel: Österreich kauft in Frankreich Strom, Deutschland ist dann Transitland. Dann tauchen die Mengen kaufmännisch in der deutschen Bilanz nicht auf, sie schlagen sich gleichwohl physisch als Import aus Frankreich und als Export nach Österreich nieder.

Auch wegen des Transits flossen seit Jahresbeginn gut fünf Milliarden Kilowattstunden physisch aus Frankreich nach Deutschland, zugleich wurden zwei Milliarden nach Österreich und fünf Milliarden nach Polen exportiert. Kaufmännisch bezog Deutschland vor allem aus Dänemark große Mengen an Strom, nämlich 9,5 Milliarden Kilowattstunden seit Jahresbeginn. Zwar verkaufte Deutschland per Saldo in diesem Jahr bislang Strom nach Frankreich, doch diese Bilanz fußt noch auf einem starken Export nach Frankreich in den ersten vier Monaten des Jahres. Seit Mai kauft Deutschland in der Summe Strom aus Frankreich.

Anm. d. Red: In einer vorherigen Version des Teasers stand, Luisa Neubauer habe erklärt, dass Deutschland mehr Strom ein- als ausführe. Das ist nicht korrekt. Luisa Neubauer sagte, wie im Text richtig steht, Deutschland sei Netto-Exporteur, führe also mehr Strom aus als ein. Wir haben den Fehler korrigiert.

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